- A. Überblick
- B. Definition von abgewandeltem Material
- C. Unmittelbare Abwandlungen
- D. Abgeleitete und transformative Werke
- E. Sammlungen und Werkverbindungen
- F. Keine Anwendung auf rein formale und technische Änderungen
- G. Keine Anwendung auf unabhängige Neuschöpfungen und bei der Verwendung gemeinfreier Elemente
- H. Keine Anwendung auf gesetzlich – durch Schrankenbestimmungen – gestattete Bearbeitungen
A. Überblick
1 Abschnitt 1.a definiert den Begriff „abgewandeltes Material“ (nachstehend auch vereinfacht „Bearbeitung“ oder „Abwandlung“ genannt). Die Definition ist bedeutend für den Umfang der Lizenz in Bezug auf die Erstellung und das Teilen von Bearbeitungen und Umgestaltungen des lizenzierten Werkes. CC-lizenziertes Material darf nach Abschnitt 2.a.1.B grundsätzlich bearbeitet werden. Alle Lizenzfassungen außer den ND-Lizenzen gestatten zudem, bearbeitete Fassungen auch zu veröffentlichen und weiterzugeben / zu teilen (siehe unten Abschnitt 1.i Rn. 67).
2 Die CC-Lizenzen enthalten für Bearbeitungen bzw. deren Weitergabe besondere Regelungen: Bei den ND-Lizenzen ist die Weitergabe von Bearbeitungen aus der Lizenzgewährung ausgenommen. Die anderen CC-Lizenzfassungen erlauben dies, geben aber vor, dass Bearbeitungen angegeben werden müssen (siehe Abschnitt 3.a.1.C). Sowohl die ND-Restriktion als auch die Pflicht zu Änderungshinweisen greifen dabei nur, wenn die jeweilige Abwandlung unter die Definition des abgewandelten Materials fällt und die Bearbeitung wiederveröffentlicht bzw. geteilt wird.
3 Die Definition
4 Nicht jede Änderung des Werkes erfüllt den Tatbestand des „abgewandelten Materials“. Rein technische Änderungen fallen ebenso wenig hierunter wie solche, für deren Erstellung und/oder Weitergabe es nach dem anwendbaren Urheberrecht keiner Zustimmung bedarf. Dies gilt insbesondere für Nutzungen von Bearbeitungen, die einer gesetzlichen Schrankenbestimmung unterfallen (siehe Abschnitt 2.a.2). Beispielsweise gestattet es § 51a UrhG, geschütztes Material Dritter zum Zwecke des „Pastiches“ zu bearbeiten und den Pastiche zu veröffentlichen. Hierfür bedarf es dementsprechend keiner Nutzungsrechtseinräumung durch die CC-Lizenz, sodass ihre Vorgaben und Beschränkungen (bei ND-Lizenzen) nicht gelten (siehe Abschnitt 8.a und Abschnitt 2.a.2 Rn. 48).
B. Definition von abgewandeltem Material
5 Der Begriff „abgewandeltes Material“ ist ebenso weit zu verstehen, wie die Begriffe „Bearbeitungen“ bzw. „Umgestaltungen“ in den §§ 3, 23 UrhG. Grundsätzlich kann die Urheberin allein darüber entscheiden, in welcher Form und Fassung ihr Werk wahrgenommen werden kann. Änderungen sind damit generell zustimmungspflichtig
6 „Abgewandeltes Material“ bezieht sich zum einen auf unmittelbar veränderte Fassungen des lizenzierten Werkes (Kürzungen, Erweiterungen usw.). Zum anderen können auch Werke hierunter fallen, die auf dem Ursprungswerk basieren oder Kombinationen von Werken, selbst wenn das lizenzierte Material hierin unverändert verwendet wird. Ob eine Abwandlung im Sinne der Lizenz vorliegt, hängt in der Regel von den Umständen des Einzelfalls ab.
C. Unmittelbare Abwandlungen
7 Abgewandeltes Material entsteht, wenn ein Werk unmittelbar geändert wird. Dies trifft bei literarischen Werken beispielsweise auf Aktualisierungen, sprachliche Umformulierungen, Kürzungen oder Zusammenfassungen zu. Auch bei Übersetzungen wird das Werk abgewandelt/bearbeitet, indem es in einer anderen Sprache wiedergegeben wird.
8 Unmittelbare Abwandlungen von Musikwerken liegen z.B. in Variationen oder Instrumentierungen von Vokalmusik, Remakes und Remixes in einer anderen Musikgattung, Mashups oder Neu-Arrangements vor.
9 Abwandlungen von Fotografien und Filme entstehen beispielsweise, wenn sie beschnitten, neu montiert oder verfremdet werden.
D. Abgeleitete und transformative Werke
10 Auch die Transformation von Werken in eine andere Werkart fällt generell unter den Begriff des abgewandelten Materials.
E. Sammlungen und Werkverbindungen
11 Besonders schwierig zu beurteilen sind Nutzungen, bei denen das oder die ursprünglichen Werke vollständig und unverändert mit anderem Material verbunden werden. Eindeutig in Abschnitt 1.a geregelt ist lediglich der Fall, dass Musik zur Vertonung von Filmen und Videos verwendet wird. Hierin liegt eine Abwandlung im Sinne der Lizenz.
12 Bei der Abgrenzung kann begrifflich zwischen Sammlungen und Werkverbindungen unterschieden werden.
13 Anders ist die Situation bei Werkverbindungen: Hier werden verschiedene Werke zu einem neuen Ganzen verschmolzen. Hierdurch entsteht ein neues Gesamtwerk
F. Keine Anwendung auf rein formale und technische Änderungen
14 Abschnitt 1.a sowie die korrespondierende Lizenzgewährung in Abschnitt 2.a.1.B beziehen sich auf das Bearbeitungsrecht. Dieses schützt die Integrität des Werkes. Bearbeitungen im urheberrechtlichen Sinn sind stets nur inhaltliche Veränderungen, die den urheberrechtlich geschützten geistig-ästhetischen Gehalt (Ausdruck) des Werkes betreffen. Rein formale Änderungen, wie die Korrektur der Rechtschreibung oder Aktualisierung auf neue Rechtschreibregeln oder auch das „Gendern“ von Texten, fallen nicht hierunter. Ebenso wenig rein technische Änderungen, beispielsweise die Umformatierung einer Bilddatei. Dies ist in der CC-Lizenz in Abschnitt 2.a.4 ausdrücklich geregelt.
G. Keine Anwendung auf unabhängige Neuschöpfungen und bei der Verwendung gemeinfreier Elemente
15 Wenn ein neu geschaffenes Werk lediglich auf gemeinfreien Elementen vorbestehender Werke basiert, handelt es sich nicht um abgewandeltes Material.
16 Gleiches gilt für Stilimitationen oder Neuschöpfungen, die lediglich die gemeinfreien Lehren, Ideen oder Erkenntnisse von vorbestehenden Werken verwenden. Der Stil einer Grafik oder eines Musikstücks ist urheberrechtlich nicht geschützt und kann frei – unabhängig von einer CC-Lizenzierung – verwendet werden. Auch der didaktische Aufbau oder die Gliederung, z.B. eines Lehrbuchs oder Schulungsmaterials, unterfällt keinem Urheberrechtsschutz. Solche Grundelemente bei der Schaffung neuer Werke zu übernehmen, greift nicht in das Bearbeitungsrecht an vorbestehenden Werken ein. Daher entsteht hierbei auch kein abgewandeltes Material.
17 Nicht um eine Abwandlung, sondern um eine freie Benutzung handelt es sich zudem bei neu geschaffenen Werken, die einen „hinreichenden Abstand zum benutzten Werk“ wahren (§ 23 Abs. 1 S. 2 UrhG). Selbst wenn schutzfähige Elemente übernommen werden, liegt also keine Bearbeitung vor, wenn vorbestehende Werke lediglich als Anregung für eine eigenständige Neuschöpfung dienen. Hierfür muss ein „hinreichender Abstand“ in dem Sinne gewahrt sein, dass die entlehnten eigenpersönlichen Züge des benutzten Werkes angesichts der Eigenart des neuen Werkes „verblassen“.
H. Keine Anwendung auf gesetzlich – durch Schrankenbestimmungen – gestattete Bearbeitungen
18 Die Regelungen der CC-Lizenz zu abgewandeltem Material gelten nicht für Bearbeitungen, die gesetzlich erlaubt sind (siehe oben und unten zu Abschnitt 8). Generell gestatten die Schrankenbestimmungen des deutschen UrhG keine Bearbeitung des benutzten Materials. Vielmehr gilt im Grundsatz das Änderungsverbot des § 62 UrhG.
19 Dieses enthält jedoch einige Ausnahmen. § 62 Abs. 4a dürfte im vorliegenden Kontext die größte Bedeutung haben. Hiernach sind Änderungen der verwendeten Werke gestattet, sofern eine Nutzung nach § 51a UrhG vorgenommen wird und es der Benutzungszweck erfordert. Letzteres wird generell zutreffen: Werden Werke zum Gegenstand von Karikaturen, Parodien oder eines Pastiches gemacht, müssen sie zu diesem Zweck in aller Regel verändert werden.
20 Nutzungen im Rahmen von Karikaturen, Parodien oder Pastiches sind durch § 51a UrhG gesetzlich gestattet.
Creative Commons Lizenz
Open Access Kommentar, Kommentierung zu Abschnitt 1.a. Abgewandeltes Material ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.