- A. Überblick
- B. NC und freie Lizenzen
- C. Interpretationsspielräume
- D. Auslegung und nationale Gesetzgebung, AGB-Recht
- E. Objektive Auslegung
- F. Nutzung und Nutzer
- G. Einzelpersonen und Institutionen
- H. Kein ausnahmsloses Verbot von Entlohnung und geschäftlichem Vorteil
- I. Keine Reduktion auf rein private Nutzung
- J. Zweifelsregelung nach AGB-Recht
- K. Social-Media-Plattformen
- L. Internationales Verständnis
- M. Filesharing
- N. Versionsgeschichte
Literatur: Till Kreutzer, Deutsche UNESCO-Kommission e. V. (Hrsg.), Open Content – Ein Praxisleitfaden zur Nutzung von Creative Commons-Lizenzen, 2. Auflage 2016; Till Jaeger/Axel Metzger, Open Content-Lizenzen nach deutschem Recht, MMR 2003, 431; Freies Wissen dank Creative Commons-Lizenzen Folgen, Risiken und Nebenwirkungen der Bedingung nicht-kommerziell – NC, abgerufen am: 14. Juli 2023, https://perma.cc/C75X-YLV6; LG Köln, 05.03.2014, 28 O 232/13; OLG Köln: Öffentlicher Rundfunk ist „non-commercial“ | ifrOSS, abgerufen am: 14. Juli 2023, https://perma.cc/2D8W-CDNU; Paul Klimpel, Geld verdienen verboten? Bildungsmaterialien und das Problem nicht-kommerzieller Lizenzen, 2018; Definition: Offenes Wissen – Open Definition – Defining Open in Open Data, Open Content and Open Knowledge, abgerufen am: 14. September 2021, https://opendefinition.org/od/1.1/de/; Definition: Offenes Wissen – Open Definition – Defining Open in Open Data, Open Content and Open Knowledge, abgerufen am: 14. September 2021, https://opendefinition.org/od/1.1/de/
A. Überblick
73 Abschnitt 1.i regelt das Modul NC – Non Commercial. Indem in der Lizenzgewährung darauf Bezug genommen wird, werden nur nicht-kommerzielle Nutzungen erlaubt. Der Lizenzgeber behält sich damit das Recht vor, über die kommerzielle Nutzung eine individuelle Entscheidung zu treffen. Will ein Nutzer das entsprechende Material kommerziell nutzen, so benötigt er dazu eine zusätzliche Lizenz vom Rechteinhaber.
74 Das Modul enthält auch eine Definition, was als nicht-kommerziell zu verstehen ist, nämlich Nutzungen, die nicht vorrangig auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine geldwerte Vergütung gerichtet sind. Hinzu kommt die Klarstellung, dass File-Sharing nicht als kommerziell gilt, solange in Verbindung damit keine geldwerte Vergütung erfolgt.
B. NC und freie Lizenzen
75 Das NC-Modul ist sehr verbreitet, wirft aber auch viele ungeklärte Fragen auf. Dies hängt damit zusammen, dass es die Nutzungsmöglichkeiten sehr weitgehend einschränkt und dies in einem Spannungsverhältnis steht zu den grundlegenden Ausrichtungen der CC-Lizenzen, Nutzungen zu erlauben. Das Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) listet CC-Lizenzen, die das NC-Modul nutzen, als „Open Content-Lizenzen“ auf.
C. Interpretationsspielräume
76 Die Definition von „nicht-kommerziell“ in Abschnitt 1.i. lässt Spielraum für sehr unterschiedliche Interpretationen. Sie ist auch unter Juristen umstritten. Dies führt zu Unsicherheiten sowohl bei der Lizenzvergabe als auch bei der Nutzung des lizenzierten Materials. Zur Verunsicherung trägt bei, dass auch vor Gerichten dieselbe Nutzung (Verwendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk) im Instanzenzug vom Landgericht als kommerziell eingeschätzt wurde
77 Diese Unsicherheiten führten auch dazu, dass aus Vorsicht auch nicht-kommerzielle Nutzungen unterbleiben, weil Nutzer Risiken vermeiden wollen: Eine 2008 von Creative Commons durchgeführte Studie über das Verständnis von kommerziell und nicht-kommerziell ergab, dass Nutzer in der Tendenz ein engeres Verständnis von „nicht-kommerziell“ hatten als die Lizenzgeber, mithin auch solche Nutzungen unterlassen, die der Lizenzgeber erlauben wollte.
D. Auslegung und nationale Gesetzgebung, AGB-Recht
78 Die CC-Lizenzen sind ein Vertragswerk, das weltweit eingesetzt wird und das sich zu einem internationalen Standard entwickelt hat. Gleichwohl gibt es bei der Auslegung in Deutschland Besonderheiten, die sich aus den national geltenden Gesetzen ergeben und die auch ausschlaggebend dafür sind, was als „nicht-kommerziell“ verstanden wird. Denn bei der Einräumung von Nutzungsrechten durch formularmäßig formulierte Vertragstexte und mithin auch durch CC-Lizenzen gelten die Regelungen für allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) nach §§ 305 BGB ff., insbesondere § 305c BGB (vgl. hierzu VorCCPL Rn. 9 ff.)
79 Diese Gesetzgebung verfolgt das Ziel, in der besonderen Konstellation, in der Verträge nicht ausgehandelt, sondern für eine Vielzahl von Konstellationen vorformuliert sind und deshalb ein Rückgriff auf die Besonderheiten des konkreten Rechtsverhältnisses bei der Auslegung ausscheidet, für die Beteiligten den verbindlichen Sinn einer Erklärung zu deuten.
80 Zu den Auslegungsregeln nach § 305c BGB gehören die objektive Auslegung sowie die Zweifelsregelung, wonach im Zweifel die Auslegung zu Ungunsten des Verwenders erfolgen soll.
E. Objektive Auslegung
81 Für die Auslegung im Sinne der CC-Lizenz in Verbindung mit §§ 305 ff. BGB gilt weder ein international vorherrschendes noch ein spezifisch juristisches Verständnis davon, welche Nutzungen als kommerziell gelten. Vielmehr gilt nach ständiger Rechtsprechung des BGH der Grundsatz der objektiven Auslegung. Danach ist der Sinngehalt „nach objektiven Maßstäben, losgelöst von der zufälligen Gestaltung des Einzelfalls und den individuellen Vorstellungen der Vertragsparteien, unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zweckes und der gewählten Ausdrucksweise zu ermitteln“.
82 Dabei kommt es auf den Empfängerhorizont an, und zwar nicht auf einen Empfänger mit besonderen Vorkenntnissen. Ein Abstellen auf besondere Vorkenntnisse würde dem Charakter von vorformulierten Verträgen nicht gerecht, bei denen ja nicht bekannt ist, wer sie liest. Entscheidend ist daher, wie ganz allgemein ein bestimmter Begriff verstanden wird. Denn es ist grundsätzlich vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Dies gilt umso mehr, als in den CC-Lizenzen, insbesondere in den Piktogrammen und Kurzfassung (Deed, siehe Einl Rn. 27) eine Sprache gewählt wurde, die auch ohne juristische Fachkenntnisse verstehbar sein soll.
83 Daher spielt für das Begriffsverständnis auch die im Urheberrecht in verschiedenen Vorschriften enthaltene Unterscheidung zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung allenfalls eine mittelbare Rolle. Die Formulierungen dort lauten „nicht-kommerzielle Archive oder Einrichtungen […]“ (§ 54c UrhG), „zu nicht-kommerziellen Zwecken“ (§§ 60a Abs. 1, 60b Abs. 3 UrhG), „nicht-kommerziellen wissenschaftlichen Forschung“ (§ 60c Abs. 1 UrhG), „nicht-kommerzielle Zwecke“ (§§ 60d Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4; 60e Abs. 4 und Abs. 5; 61d Abs. 1 UrhG), „keine unmittelbaren oder mittelbaren kommerziellen Zwecke“ (§§ 60e Abs. 1, 60 f Abs. 1 UrhG) oder „nicht-kommerzielle Nutzung“ (§ 87 g Abs. 2 Nr. 2 UrhG).
84 Die genauen Differenzierungen in den Formulierungen der genannten Bestimmungen dürften zwar nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Wohl aber kommt in ihnen zum Ausdruck, dass bei bestimmten öffentlichen Institutionen in der Regel davon ausgegangen wird, dass sie nicht-kommerziell sind – etwa wenn § 60a Abs. 4 UrhG eine Reihe von Institutionen aufgeführt werden. Zwar ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass es nicht (mehr) auf die Einrichtung, sondern auf die konkrete Handlung ankommt.
F. Nutzung und Nutzer
85 Der Lizenztext selbst stellt in seinem Wortlaut auf die Art der Nutzung ab, wenn es darum geht, kommerzielle von nicht-kommerziellen Handlungen zu unterscheiden. Grundsätzlich kommt es danach auf die konkrete Nutzung und nicht auf den Nutzer an.
86 Bei einem Unternehmen wird man grundsätzlich von einem gewinnorientierten Handeln ausgehen, während es gesondert begründungsbedürftig ist, warum das Handeln ausnahmsweise als nicht-kommerziell einzuordnen ist. Bei gemeinnützigen Organisationen hingegen ist grundsätzlich von nicht-kommerziellem Handeln auszugehen, und nur im Ausnahmefall sind Aktivitäten als kommerziell einzustufen.
87 Ein Unternehmen kann gleichwohl nicht-kommerziell handeln, wenn es im konkreten Fall nicht vorrangig eine Vergütung oder einen geldwerten Vorteil anstrebt. Dies kann dort so sein, wo Nutzungen der bloßen Information dienen, ohne dass damit eine Gewinnerzielungsabsicht verbunden wäre.
88 Umgekehrt ist bei einer gemeinnützigen, nicht gewerblichen Institution in der Regel davon auszugehen, dass ihre Handlungen als nicht-kommerziell einzustufen sind.
89 Auch hier gibt es Ausnahmen. Nicht nur steuerrechtlich gilt ein Museumsshop oder ein Museumscafé als kommerzielle Entität eines Museums. Genauso ist ein kommerzieller Charakter von Nutzungen von anderen grundsätzlich nicht-kommerziellen Einrichtungen zu bejahen, wenn diese im konkreten Einzelfall vorrangig auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sind.
G. Einzelpersonen und Institutionen
90 Es spielt grundsätzlich keine Rolle, ob Nutzungen von Einzelpersonen oder Institutionen vorgenommen werden.
91 Nutzungen von Einzelpersonen im rein privaten Kontext sind als nicht-kommerziell einzustufen. Bei Nutzungen durch Einzelpersonen im beruflichen Kontext hängt die Klassifikation hingegen davon ab, ob die Nutzung von außen betrachtet als eine des Arbeit- bzw. Auftraggebers erscheint. Ist dies der Fall und agiert der Arbeit- oder Auftraggeber nicht-kommerziell, so gilt dies auch für die jeweilige Nutzung. Denn sie erscheint von außen betrachtet als eine Nutzung der Institution. Unerheblich ist dabei, ob und wie Arbeitnehmer oder Auftragnehmer entlohnt werden und in welchem Vertragsverhältnis sie zu der Institution stehen. Eine Differenzierung danach, ob es ein weisungsgebundenes Arbeitsverhältnis oder ein Auftrag ist, würde auf das von außen nicht erkennbare interne Vertragsverhältnis abstellen. Entscheidend für den Charakter einer Nutzung ist jedoch, wie sie wahrgenommen wird. Es entspricht nicht dem allgemeinen Verständnis von nicht-kommerziell, dass die Nutzungen von nicht-kommerziellen Institutionen als kommerziell anzusehen sind, sobald Mitarbeiter oder Auftragnehmer bezahlen werden.
92 Ein Beispiel: Eine Nutzung in einem Volkshochschulkurs hat als nicht-kommerziell zu gelten, weil die Volkshochschule als eine öffentlich finanzierte Organisation wahrgenommen wird, die nicht gewinnorientiert ist. Sie ist deshalb „nicht vorrangig“ auf eine geldwerte Vergütung gerichtet, es handelt sich lediglich um einen Kostenbeitrag für ein weitgehend durch die öffentliche Hand finanziertes Angebot.
93 In Deutschland werden allgemeinbildende Schulen, Hochschulen und Volkshochschulen staatlich finanziert und auch als Angebote der öffentlichen Hand wahrgenommen, denen es nicht, zumindest nicht vorrangig, darum geht, Gewinne zu erwirtschaften. Beihilferechtlich ist es der öffentlichen Hand überhaupt nur sehr eingeschränkt möglich, wirtschaftlich tätig zu sein. Bildung wie auch Kultur sollen als öffentliche Leistung unabhängig davon angeboten werden, ob sie sich finanziell rechnen. Zwar gibt es auch kommerzielle, auf Gewinn ausgerichtete Bildungsangebote wie etwa Sprachschulen, Fahrschulen oder eine Ausbildung als Vorbereitung auf die Prüfung eines Jagdscheins. Auch gibt es kommerzielle Hilfsangebote als Ergänzung zu öffentlichen Einrichtungen wie kommerzielle Nachhilfeinstitute als Ergänzung zur öffentlichen Schule oder kostenpflichtige juristische Repetitorien als Ergänzung zur Hochschule. Doch wird hier im allgemeinen Bewusstsein sehr klar unterschieden zwischen öffentlichen, nicht vorrangig gewinnorientierten Einrichtungen und gewerblichen Angeboten.
94 Es kommt auf diese Abgrenzung in dem allgemeinen Verständnis an, das den Empfängerhorizont prägt, und nicht darauf, wie hoch die Quote der öffentlichen Finanzierung einer Institution oder die Höhe der Teilnahmegebühren ist. Deshalb ändert auch weder die Teilnahmegebühr von Kursbesuchern noch die Entlohnung des einzelnen Dozenten etwas an der Einordnung einer Volkshochschule als nicht-kommerziell. Es spielt auch keine Rolle, welche vertragliche Beziehung zwischen dem Dozenten und der Volkshochschule besteht, ob es ein Anstellungsverhältnis oder ein Auftrag ist. Denn die Leistung des Dozenten ist in das Angebot der Volkshochschule eingebunden und wird auch als Leistung der Volkshochschule wahrgenommen.
95 Die weitgehende Ökonomisierung des Gesundheitswesens führt dazu, dass die Nutzung von Inhalten durch Krankenhäuser grundsätzlich als kommerziell zu bewerten ist, auch wenn es sich um Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft handelt und obwohl das Gesundheitswesen in Deutschland auch als öffentliche Aufgabe begriffen wird, dessen Leistungen durch ein Pflichtversicherungssystem und Steuermittel gesichert werden. Für private Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte gilt dies erst recht. Hingegen stehen bei Feuerwehr und Rettungsdiensten ökonomische Überlegungen im Hintergrund, so dass eine Nutzung von CC-lizenzierten Inhalten dort in der Regel als nicht-kommerziell gelten kann.
96 Auch wird das Angebot der Deutschen Bahn als „kommerziell“ wahrgenommen, nicht nur wegen der privatwirtschaftlichen Rechtsform des dem Staat gehörenden Unternehmens, sondern weil hier in einem klaren Austauschverhältnis bestimmte Leistungen erworben werden und die Bahn auch gewinnorientiert arbeitet. Es kommt also nicht auf die Eigentumsverhältnisse oder die Organisationsform eines Unternehmens an, sondern ob eine Leistung typischerweise als öffentlich und nicht-kommerziell wahrgenommen wird oder nicht.
97 Anders als bei der Bahn gibt es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk die auch in der Öffentlichkeit viel diskutierte Besonderheit, dass er überwiegend durch Gebühren finanziert wird und damit nicht einer kommerziellen Verwertungslogik unterliegt. Dies gilt insbesondere für den werbefreien Deutschlandfunk, der auch nicht der Marktlogik des Werbemarkts unterliegt. Die Einstufung als nicht-kommerziell durch das OLG Köln
98 Ein Freiberufler hingegen, der im Rahmen eines eigenen Angebots unternehmerisch tätig ist, handelt stets kommerziell.
H. Kein ausnahmsloses Verbot von Entlohnung und geschäftlichem Vorteil
99 Eine Entlohnung oder ein Entgelt stehen nicht ausnahmslos der Wertung einer Nutzung als „nicht-kommerziell“ entgegen. Auch in der Definition im Lizenztext ist festgehalten, dass die Nutzungen nicht vorrangig auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine geldwerte Vergütung gerichtet sind. Eine Vergütung oder auch ein geschäftlicher Vorteil sind folglich solange unbeachtlich, wie sie nicht vorrangig angestrebt werden. So führen beispielsweise Unkostenbeiträge oder Schutzgebühren nicht automatisch zu einer Bewertung der Handlung als kommerziell. Gleiches gilt für Gebühren, insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Gebührengläubigern. Gebühren sollen schon definitionsgemäß nur entstandene Kosten ganz oder teilweise decken. Sie sind aber nicht vorrangig auf eine geldwerte Vergütung gerichtet.
100 Bei Werbung auf Websites ist zu unterscheiden: Bei einer privaten Website oder der Website einer gemeinnützigen Institution, bei der Werbung lediglich der Refinanzierung von Serverkosten dient, das Erscheinungsbild nicht dominiert und sich auch sonst aus dem Charakter des Internetauftritts ergibt, dass keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, wird dies nicht als kommerziell gewertet werden können. Ein geschäftlicher Vorteil wird hier nicht angestrebt, und trotz der Werbeeinnahmen ist die Internetpräsenz nicht vorrangig auf eine geldwerte Vergütung gerichtet. Allerdings kann auch bei den Websites nicht-gewerblicher Anbieter mit Werbung die Schwelle zu kommerzieller Nutzung überschritten werden, wenn im Einzelfall diese Werbung das Erscheinungsbild dominiert.
101 Anders ist Werbung auf den Websites kommerzieller Anbieter wie beispielsweise von Verlagen zu sehen. Daran ändert sich auch nichts, wenn etwa ein Zeitungsverlag einzelne Artikel kostenfrei online stellt. Denn auch diese kostenlosen Lockangebote dienen entweder der Werbung für die kostenpflichtigen Angebote oder sie refinanzieren sich aus der Werbung. Das Angebot des Verlags ist grundsätzlich von Gewinnerzielungsabsicht getragen.
I. Keine Reduktion auf rein private Nutzung
102 Zwar sind rein private Nutzungen stets als nicht-kommerziell einzustufen. Entgegen der Rechtsprechung des LG Köln aus dem Jahr 2014
103 Auch die Übertragungszwecklehre des § 31 Abs. 5 UrhG rechtfertigt eine solche Wertung nicht. Zum einen, weil die Nutzung von CC BY-NC-lizenzierten Inhalten auch und gerade außerhalb des privaten Bereichs in Bildungseinrichtungen und in der Wissenschaft verbreitet und üblich ist. Es gibt insofern keine Unsicherheit dahingehend, ob auch Nutzungen außerhalb des Privaten als nicht-kommerziell gelten und mithin auch keinen Raum für die Anwendung einer Zweifelsregelung.
104 Zum anderen geht bei formularmäßig eingeräumten Nutzungsrechten die Zweifelsregelung des § 305c Abs. 2 BGB dem § 31 Abs. 5 UrhG ohnehin vor.
J. Zweifelsregelung nach AGB-Recht
105 Nach § 305c Abs. 2 BGB ist eine Klausel nur dann zu Ungunsten des Verwenders auszulegen, wenn sie tatsächlich unklar ist.
106 Mit Verweis auf die Auslegungsregel in § 305c Abs. 2 BGB hat das OLG Köln entschieden, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf eine CC BY-NC-Lizenz berufen könne.
107 Das Gericht hatte zuvor ausgeführt, dass es kein allgemein anerkanntes Verständnis von kommerzieller Nutzung im Sinne der CC-Lizenz gebe. Dies kann in dieser Allgemeinheit wohl heute nicht mehr gelten. In den letzten Jahren hat die Nutzung von CC-Lizenzen auch in Deutschland stark zugenommen. Dazu beigetragen haben die Vorgaben verschiedener Fördermittelgeber. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk nutzt CC-Lizenzen, in der Wissenschaft sind sie weit verbreitet, im Bildungsbereich baut das Konzept der OER auf freien Lizenzen auf, und auch im Kulturbereich gehören CC-Lizenzen zum weit genutzten Standard. Deshalb haben sich auch die Vorstellungen über die Reichweite der einzelnen Lizenzvarianten im Allgemeinen konkretisiert sowie ein Verständnis darüber herausgebildet, was unzweifelhaft als nicht-kommerziell zu verstehen ist.
108 Gleichwohl gibt es auch heute noch durchaus Zweifelsfälle, bei denen eine Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Lizenzgebers geboten ist. Neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist an die Nutzung von Inhalten durch Wirtschaftsunternehmen zu denken, wenn diese Nutzung nicht im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Aktivitäten steht und zumindest nicht direkt der Gewinnerzielung dient.
K. Social-Media-Plattformen
109 Bei der Veröffentlichung von Inhalten auf Social-Media-Plattformen kommt es darauf an, ob der Nutzer, der Inhalte auf der Plattform veröffentlicht, kommerziell handelt, und nicht darauf, ob die Plattform selbst kommerziell betrieben wird.
110 Es ist ganz grundsätzlich so, dass wenn ein selbst nicht kommerziell Handelnder sich eines Dienstes bedient, der kommerziell betrieben wird, die Nutzung dadurch nicht zu einer kommerziellen Nutzung wird. Wenn beispielsweise ein nicht kommerziell handelnder Schulbezirk sich zum Kopieren von CC NC lizenzierten Inhalten eines kommerziellen Kopierdienstes bedient, verletzt dies nicht die Lizenz.
111 Nichts anderes kann für die bekannten Social-Media-Plattformen wie Instagram, YouTube, Twitter bzw. X oder Facebook gelten. Diese werden zwar kommerziell betrieben. Deshalb wird es aber nicht automatisch zu einer kommerziellen Nutzung, sich dieser Plattformen zu bedienen. Rechtlich wird bei der Beurteilung von konkreten Inhalten auf denjenigen abgestellt, der diese Inhalte auf der Plattform veröffentlicht. Plattformen stellen insofern lediglich die technische Infrastruktur bereit. Sie haften daher auch nicht unmittelbar für dort veröffentlichte Inhalte. Auch wenn das ursprünglich in § 10 TMG geregelte Haftungsprivileg von Providern inzwischen durch die DSM RL, das UrhDaG und auch das Digital Service Act eingeschränkt und konkretisiert wurde, bleibt es grundsätzlich dabei, dass für die Zulässigkeit einer Veröffentlichung auf Plattformen auf die Rechtsposition der Nutzer abgestellt wird.
112 Gleiches muss auch gelten, wenn es darum geht, ob diese Veröffentlichung einen kommerziellen Charakter hat.
113 Wenn mithin eine Privatperson oder ein gemeinnütziger Verein ohne Gewinnerzielungsabsicht Inhalte postet, ist dies als nicht-kommerzielle Nutzung zu werten – auch wenn die Plattform kommerziell betrieben wird.
114 Anders ist es hingegen bei selbst gewerblich handelnden Nutzern. Der professionelle Youtuber, der mit Gewinnerzielungsabsicht Filme veröffentlicht, handelt genauso kommerziell wie eine Firma, die mit Werbeabsicht Inhalte veröffentlicht.
115 § 6 des Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG) statuiert im Übrigen eine Pflicht für Plattformbetreiber, kommerzielle Kommunikation als solche zu kennzeichnen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass nicht jegliche Kommunikation auf den vom DDG erfassten Dienste als kommerziell anzusehen ist.
L. Internationales Verständnis
116 Diese nationalgesetzliche Vorgabe durch das BGB gilt nicht international. Nur in Deutschland gelten die Auslegungsregeln der §§ 305 BGB ff. und im „Zweifelsfall“ nach § 305c Abs. 2 BGB eine Auslegung zu Gunsten des Lizenznehmers. Dies ist zu beachten, weil die CC-Lizenzen gerade im Bereich der Wissenschaft im internationalen Kontext eingesetzt werden. Damit soll nicht gesagt werden, dass die oben genannten Auslegungsgrundsätze im internationalen Kontext nicht doch auch argumentativ begründbar sind.
117 Die „Zweifelsregelung“ gilt aufgrund von Art. 5 RL 93/13/EWG auch innerhalb der EU. Für Staaten außerhalb der EU kann indes nicht von deren Geltung ausgegangen werden. Dies kann in zweifacher Hinsicht eine Rolle spielen: Zum einen könnten internationale Lizenzgeber eine bestimmte Nutzung als kommerziell betrachten, die hier aufgrund der Zweifelsregel des § 305c Abs. 2 BGB als nicht-kommerziell gilt. Dies kann zu Verstimmungen führen oder auch zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Zum anderen kann die Lizenzierung deutscher Autoren durch international tätige und nicht in Deutschland beheimatete Verlage dazu führen, dass bestimmte im Grenzbereich des Kommerziellen liegende Nutzungen im Ausland als kommerziell gelten, während sie dies in Deutschland nicht tun. Mithin ist der Erwartungshorizont der Autoren, was sie durch die NC-Bedingung bewirken, ein anderer als der von international tätigen Verlagen.
M. Filesharing
118 Abschnitt 1.i stellt in Satz 2 klar, dass Filesharing nicht als kommerzielle Nutzung angesehen wird, sofern in Verbindung damit keine geldwerte Vergütung erfolgt. Diese Konkretisierung ist verständlich aufgrund der Bedeutung, die das Filesharing in der Vergangenheit für die digitale Verbreitung von Inhalten einerseits und in den Auseinandersetzungen um das Urheberrecht andererseits hatte.
N. Versionsgeschichte
119 Die Definition für NC entspricht in der internationalen Fassung dem Wortlaut auch aller vorherigen Versionen, von 1.0 bis 3.0 international. Die Version 4.0 enthält eine ausdrückliche Definition am Anfang im Definitionsteil, während alle Vorversionen aufgrund eines anderen strukturellen Aufbaus die Definition jeweils unter „Restrictions“, in 4 b enthalten.
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Open Access Kommentar, Kommentierung zu Abschnitt 1.i./h. Nicht-kommerziell ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.