A. Überblick
36 Die Klausel regelt, dass die Lizenz nicht anwendbar ist und Lizenznehmer die in der CCPL getroffenen Bedingungen nicht beachten müssen, sofern in der konkreten Situation der Nutzung gesetzliche Ausnahmen und Beschränkungen (zur Definition des Begriffspaars siehe Abschnitt 1.e) zur Anwendung kommen. Damit räumt die CCPL den im gesetzlichen Urheberrecht geregelten Schrankenregelungen nach §§ 44a ff. UrhG den Vorrang ein, greift also nicht in deren Gefüge ein.
37 Im Zusammenhang gesetzlicher Freiheiten ist auch ist die Auslegungsregel in Abschnitt 8.1 zu erwähnen, wonach die CCPL keine Nutzung mit Bedingungen belegt, die ohne eine Erlaubnis einer CC-Lizenz zulässig ist. Die dortige Regelung kommt beispielsweise bei der Gemeinfreiheit von Inhalten zum Tragen, etwa wenn urheberrechtlich nicht geschützte Inhalte (vermeintlich) unter eine CC-Lizenz gestellt werden.
38 Das Schicksal gesetzlicher Vergütungsansprüche bei CC-lizenzierten Inhalten wird in Abschnitt 2.b.3 behandelt.
39 CC-Lizenzen waren von vornherein als „Fair Use plus“ gedacht und damit als ein Versprechen von Freiheiten, die die Lizenzgeber zusätzlich zu den gesetzlich garantierten Freiheiten abgeben.
B. Klarstellung
40 Mit der Formulierung „Es sei klargestellt“ lässt die CCPL erkennen, dass bereits im Wege der Auslegung des Lizenzvertrages gesetzliche Ausnahmen und Beschränkungen vorrangig sein sollen. Häufig wird dies auch der gesetzlichen Lage entsprechen, wonach ohnehin die gesetzlichen Schranken per Vertrag nur in begrenztem Umfang ausgeschlossen oder eingeschränkt werden können: Einerseits erklärt das Urheberrecht einige Schrankenbestimmungen ausdrücklich für unabdingbar (z.B. § 69 g Abs. 2 UrhG) bzw. vertragliche Beschränkungen für nicht durchsetzbar (§ 60 g Abs. 1 UrhG). Andererseits sind per AGB getroffene Einschränkungen gesetzlicher Erlaubnisse unwirksam, wenn die Schrankenregelung von einem überragenden Allgemeininteresse getragen ist.
41 Umgekehrt versucht die CCPL nicht, per Vertrag solche Nutzungen erlaubnisfrei zu stellen, die bereits gesetzlich zulässig sind. Solche vertraglichen Erlaubnisse entfalten in der Regel ohnehin keine eigenständige Rechtswirkung
42 Bei anderen gesetzlichen Erlaubnissen soll ausweislich der Absicht des Gesetzgebers auch bei Vorliegen einer gesetzlichen Erlaubnis Raum für vertragliche Regelungen sein. Beispiel hierfür wären die §§ 60a ff. UrhG. So ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien zum UrhWissG, dass Lizenzen weiterhin zulässig sein sollen, solange dadurch die gesetzlich gewährten Befugnisse des Nutzers nicht beschränkt werden.
„Die gesetzlichen Erlaubnisse (Schranken des Urheberrechts) sollten im Interesse von Bildung und Wissenschaft einen gesetzlich garantierten Basiszugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten gewähren. Sie ergänzen damit die Nutzung auf Lizenzbasis, etwa von Online-Angeboten oder durch den Kauf gedruckter Bücher. Vor diesem Hintergrund sind Lizenzierungen im Bereich der Schranken grundsätzlich auch nicht unwirksam, dürfen aber die gesetzlich eröffneten Nutzungshandlungen nicht einschränken (§ 60 g Absatz 1 UrhG).“
43 In solchen Fällen muss jeweils im Einzelfall geschaut werden, ob eine Nutzung auf der Grundlage der gesetzlichen Erlaubnis oder auf der Grundlage der CC-Lizenz stattfindet. Da die Nutzung auf der Grundlage der CC-Lizenz die entsprechende Kennzeichnung zwingend erfordert, ist diese Unterscheidung auch jeweils möglich.
C. Folgen der Nichtanwendbarkeit
44 Dass die Lizenz im Falle gesetzlich erlaubter Nutzungen nicht anwendbar ist, führt in einigen Fällen zu weitergehenden Freiheiten, als es unter der Lizenz der Fall wäre:
I. BY – Attribution
45 Es gibt Fälle gesetzlich erlaubter Nutzungen, in denen die Vorgaben zur Namensnennung und der Übernahme des Lizenzhinweises nicht beachtet werden müssen. So ist etwa die Attribution als Bedingung jeder CC-Lizenzvariante nicht im Falle einer Nutzung verpflichtend, die unter die Pastiche-Erlaubnis aus § 51a UrhG fällt. Denn diese Schranke erfordert keine Urheberbenennung. Insofern gelten im Anwendungsbereich der gesetzlich erlaubten Nutzung weniger Bedingungen als unter der CCPL. Gesetzliche Schranken verzichten auch teilweise auf eine verpflichtende Quellenangabe, wo sie nicht praktikabel ist (bspw. im Rahmen von Text und Data Mining unter §§ 44b, 60d UrhG); hier modifiziert die CCPL ebenfalls nichts. Im Fall der Zitierfreiheit nach § 51 UrhG schließlich gelten eigene Anforderungen an die Quellenangabe gemäß § 63 UrhG; in diesem Fall sind nur sie zu beachten und nicht die Attribution-Pflicht gemäß CCPL.
46 Gleichzeitig kann es dennoch ratsam sein, in den genannten Fällen den Lizenzhinweis zu übernehmen. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass Anschlussnutzungen unterbleiben, die auf eine CC-Lizenz angewiesen sind. Ein Beispiel wäre das Zitat eines Bildes als Beleg für eine Aussage in einer wissenschaftlichen Abhandlung, das CC BY-lizenziert ist. Das Zitat müsste nach den gesetzlichen Vorgaben nur die Quellenangabe nach § 63 UrhG haben, aber keinen Lizenzhinweis. Die Ergänzung des Lizenzhinweises führt dann dazu, dass offensichtlich gemacht wird, dass eine Nutzung des Bildes auch außerhalb des Zitatzusammenhangs unter den Bedingungen der CC BY-Lizenz zulässig ist.
II. NC – Non Commercial
47 Sofern eine Schranke die Nutzung von Materialien auch zu kommerziellen Zwecken erlaubt, steht das Verbot kommerzieller Nutzung aus der CC-Lizenz (siehe Abschnitt 1.i) dem nicht entgegen, namentlich etwa bei Text und Data Mining im Rahmen von § 44b UrhG, bei der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG), im Rahmen der Zitierfreiheit (§ 51 UrhG) sowie der Pastiche-Erlaubnis (§ 51a UrhG). Viele andere Schrankenregelungen (etwa die Erlaubnisse zur Nutzung von Materialien in der Lehre) sind allerdings ihrerseits auf nicht-kommerzielle Zwecke begrenzt. Hier ist allenfalls im Einzelfall zu prüfen, ob das spezifische Verständnis von „nicht-kommerziell“ im gesetzlichen Urheberrecht mit dem Verständnis von „nicht-kommerziell“ übereinstimmt, von dem die CC-Lizenz ausgeht (vgl. hierzu Abschnitt 1.i zum Modul Non Commercial).
III. No Derivatives
48 Inhalte, die unter CC-Lizenz mit Bearbeitungsverbot ND – No Derivatives stehen, dürfen trotz Bearbeitung veröffentlicht werden, sofern hierfür eine gesetzliche Erlaubnis greift. Ein Beispiel ist die gesetzliche Pastiche-Erlaubnis aus § 51a UrhG, in deren Rahmen das Schrankenregime des Urheberrechts Bearbeitungen zustimmungsfrei erlaubt (solche Fälle wurden früher unter der freien Benutzung nach § 24 UrhG a.F. diskutiert
IV. SA – Share Alike
49 Unter anderem im Rahmen der Pastiche-Erlaubnis gemäß § 51a UrhG gewährt das gesetzliche Urheberrecht, Bearbeitungen von Werken öffentlich wiederzugeben. Steht nun ein Werk unter einer CC-Lizenzvariante mit der Copyleft-Bedingung SA – Share Alike, wäre an sich jede Weitergabe von abgeleiteten Werken des lizenzierten Werks an die Bedingung geknüpft, dass die entstandene Bearbeitung unter eine gleichwertige Lizenz gestellt wird. Im Falle gesetzlich erlaubter Bearbeitungen greift die Copyleft-Bedingung der SA – Share Alike-Lizenzvarianten aber nicht. Ist also ein mit Copyleft-Bedingung CC-lizenziertes Werk in ein Pastiche im Sinne von § 51a UrhG eingeflossen, so steht es dem Autor des Pastiches frei, ob er das entstandene Pastiche frei lizenziert oder nicht.
50
Überschreitet hingegen eine Nutzung den durch eine Schranke gesetzlich erlaubten Umfang, so kann das lizenzierte Material auf Grundlage der CC-Lizenz genutzt werden – freilich unter der Voraussetzung, dass die Lizenzbedingungen eingehalten werden.
D. Weitere Konstellationen
51 Die CC-Lizenz entfaltet auch dort keine Wirkung, wo schon das Urheberrecht nicht greift. Dies betrifft Inhalte, die nicht geschützt sind, weil die Schutzvoraussetzungen nicht erfüllt sind oder weil die Verwertungsrechte nicht greifen, zum Beispiel beim reinen Werkgenuss. In solchen Fällen soll gemäß Abschnitt 8.a die CC-Lizenz weder besagen „noch dahingehend ausgelegt werden [...], dass sie solche Nutzungen des lizenzierten Materials verringert, begrenzt, einschränkt oder mit Bedingungen belegt, die ohne eine Erlaubnis aus dieser Public License zulässig sind“. Während die vorliegende Klausel im Rahmen der Ausnahmen und Beschränkungen des Urheberrechts anwendbar ist, setzt Abschnitt 8 bei Inhalten und Nutzungshandlungen an, die schon nicht im Schutzbereich des Urheberrechts liegen.
52 In Fällen, in denen Unsicherheit darüber besteht, ob eine gesetzliche Erlaubnis anwendbar ist, kann eine CC-Lizenzierung freilich Klarheit schaffen, weil das lizenzierte Material jedenfalls zumindest unter der CC-Lizenz genutzt werden kann.
Creative Commons Lizenz
Open Access Kommentar, Kommentierung zu Abschnitt 2.a.2. Ausnahmen und Beschränkungen ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.