Literatur: Ina Lucas, Zur “Wirksamkeit” technischer Maßnahmen gemäß § 95a UrhG nach Maßgabe der Richtlinie 2001/29/EG – zugleich eine Darstellung deutscher und finnischer Rechtsprechung, GRUR Int. 2017, 114; Stefan Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht – Implikationen des Digital Rights Managements, Dissertation, München 2002; Peter Wand, Technische Schutzmaßnahmen und Urheberrecht: Vergleich des internationalen, europäischen, deutschen und US-amerikanischen Rechts, Dissertation, München 2001.
28 Die Definition grenzt den Begriff auf wirksame technische Schutzmaßnahmen ein, deren Umgehung ohne Erlaubnis gesetzlich verboten ist. Dabei sind Grundlage für das Umgehungsverbot solche Normen, die auf Art. 11 des WIPO Copyright Treaty (WCT) bzw. ähnlichen internationalen Vereinbarungen basieren.
29 Die Definition wurde in Version 4.0 eingeführt, soll aber keine inhaltliche Änderung bewirken, sondern lediglich den Anwendungsbereich des Verbotes technischer Schutzmaßnahmen klarstellen.
30 Gemäß Art. 11 WCT (WIPO Copyright Treaty) gewährleisten die Vertragsparteien
die von Urhebern ergriffen werden,
und die im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Rechte nach dem WCT oder der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst („Berne Convention“) stehen,
und die solche Handlungen in Bezug auf die Werke der Urheberinnen beschränken, die nicht von den Urhebern oder aufgrund Gesetzes zugelassen sind.
31 Weitere internationale Grundlagen für den Schutz technischer Maßnahmen finden sich in Art. 7 Abs. 1 c) der Computerprogramm-Richtline
32 In Deutschland ist der Schutz technischer Maßnahmen in den §§ 95a bis 95d UrhG geregelt. Die Vorschriften setzen die zuvor genannten internationalen Richtlinien bzw. Vereinbarungen um. § 95a UrhG definiert den Begriff der technischen Maßnahme und enthält die grundlegenden Maßgaben für den Schutz derselben. Das Verbot in § 95a Abs. 1 UrhG lautet:
„Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes dürfen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen.“
33 Die Umgehung technischer Maßnahmen ist also ohne Zustimmung der Schutzrechtsinhaber grundsätzlich nicht erlaubt,
34 Nach § 95a Abs. 2 S. 1 UrhG und fast wortgleich auch Art. 6 Abs. 3 S. 1 InfoSoc-RL sind technische Maßnahmen im Sinne der Vorschrift solche „Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz [Anm: UrhG] geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken.“
35 Wirksam sind technische Maßnahmen gemäß § 95a Abs. 2 S. 2 UrhG (fast wortgleich aus Art. 6 Abs. 3 S. 2 der InfoSoc-RL übernommen), „soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem Rechtsinhaber durch eine Zugangskontrolle, einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.“
36 Da das Gesetz und auch die Definition des Lizenztextes auf „wirksame“ Maßnahmen abstellen, ist maßgeblich, welcher Wert der „Wirksamkeit“ zukommt. Nach der Rechtsprechung in Deutschland sind solche Maßnahmen wirksam, deren Umgehung eine Hürde darstellt, die eine normale Nutzerin nicht ohne Weiteres überwinden kann.
37 Beispiele. Eine nicht wirksame Maßnahme ist etwa ein Kopierschutz, der auf einer CD angebracht wurde, wenn das (unter Umständen sogar vorinstallierte) Media-Player-Programm auf einem Computer bei Einlesen der CD diesen ohne weiteres ignoriert und ermöglicht, die CD zu kopieren. Auch an einer bei YouTube oder einschlägigen Streaming-Anbietern abrufbaren Videodatei zur Verhinderung von Vervielfältigungen angebrachte Maßnahmen dürften unwirksam sein, wenn das Video mittels einschlägiger Tools heruntergeladen oder durch eine schlichte Bildschirmaufzeichung vervielfältigt werden kann.
38 Wirksam im Sinne der Definition wäre etwa eine Maßnahme, die den Zugang zu dem Werk nur unter Eingabe von Benutzername und Passwort ermöglicht, und auch sämtliche andere Maßnahmen des Digital Rights Managements (DRM), die den Zugang zu oder Modifikationen des Werkes beschränken, ohne dass eine Umgehung für einen „normalen Nutzer“ mit Durchschnittskenntnissen möglich ist.
39 Bisweilen wird die Umgehung eines Kopierschutzes als sportliche Herausforderung angesehen, bis sich die Umgehungsmöglichkeit so weit etabliert hat, dass nicht mehr von einer wirksamen technischen Schutzmaßnahme ausgegangen werden kann: So geschehen im Fall des DVD-Verschlüsselungsalgorithmus CSS (Control Scrambling System), mit dem das Abspielen von DVDs auf nicht autorisierter Hardware unterbunden werden sollte. Mit der Entwicklung und Verbreitung von DeCSS – einem Programm zur Entschlüsselung des Algorithmus – kann CSS mittlerweile nicht mehr als wirksam betrachtet werden.
40 Nicht erfasst hingegen ist die Umgehung solcher Maßnahmen, die nicht dazu bestimmt sind, das Ausüben lizenzierter Rechte zu verhindern: So unterbindet etwa der Regionalcode bei DVDs lediglich das Abspielen auf DVD-Recordern, denen bestimmte geographische Regionen zugewiesen sind, nicht jedoch die Vervielfältigung. Das Abspielen – die Rezeption des Werkes – ist jedoch grundsätzlich eine zulässige Handlung.
41 Die Regelungen zum Schutz technischer Schutzmaßnahmen im deutschen Urheberrecht sehen für einige Situationen Ausnahmen von dem Umgehungsverbot vor. § 95a Abs. 4 UrhG nimmt etwa „Aufgaben und Befugnisse öffentlicher Stellen zum Zwecke des Schutzes der öffentlichen Sicherheit oder der Strafrechtspflege sowie die Befugnisse von Kulturerbe-Einrichtungen gemäß § 61d UrhG“ von dem Verbot der Umgehung aus. Die Ausnahme dürfte jedoch keine Auswirkung auf die Definition der Schutzmaßnahmen entfalten. Die Definition der Schutzmaßnahmen in den CC-Lizenzen bezieht sich auf alle Maßnahmen, die grundsätzlich nicht umgangen werden dürfen, unabhängig davon, ob in Sonderkonstellationen Ausnahmen greifen.
42 Unabhängig davon ist die Umgehung im Rahmen der Ausübung der lizenzierten Rechte im Rahmen der CC-Lizenzen erlaubt, vgl. dazu Abschnitt 2.a.4.
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Open Access Kommentar, Kommentierung zu Abschnitt 1.d./c./e. Wirksame technische Schutzmaßnahmen ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.