A. Einleitung
1 Die Creative Commons-Lizenz wird für die Lizenzierung und Verbreitung von Werken unterschiedlichster Art millionenfach verwendet, nicht nur von Privatpersonen, sondern auch von Institutionen, öffentlich-rechtlichen Sendern usw. Die Grundidee der Creative Commons-Lizenz und damit auch der jeweiligen Urheber, die sie einsetzen, ist hierbei, dass Werke möglichst einfach zugänglich sein sollen und dadurch weite Verbreitung finden. Auf der anderen Seite bedeutet die Entscheidung der Urheberin für eine Creative Commons-Lizenz nicht, dass sie auf alle ihre sich aus der Schaffung des Werks ergebenden Rechte verzichtet und die Lizenznehmerinnen mit dem Werk verfahren können, wie sie wollen. Ganz im Gegenteil erfolgt die kostenlose Einräumung von Nutzungsrechten nicht bedingungslos, vielmehr setzt die Creative Commons-Lizenz bestimmte Rahmenbedingungen, die mit dem Abschluss des Lizenzvertrags für die Lizenznehmerin bindend werden. Die Urheberin (und Lizenzgeberin) bringt hierbei regelmäßig der Lizenznehmerin einen gewissen Vertrauensvorschuss entgegen, indem sie ihr Werk verbunden mit einem Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrags und zumeist ohne weitere Beschränkung und ohne Kenntnis der Identität künftiger Lizenznehmerinnen in die Öffentlichkeit entlässt. Das hat zur Folge, dass anders als in den meisten anderen (Rechts‑)Bereichen es bei Creative Commons-Lizenzen der Normalfall ist, dass die Lizenzgeberinnen ihre Lizenznehmerin zunächst nicht kennen und deshalb praktisch keine Kontrolle über die Art und Weise der Nutzung und Verwendung ihres Werks haben.
I. Rahmenbedingungen
2 Bei diesem Befund bleibt es jedoch nicht, weil die Creative Commons-Lizenz als Vertrag zwischen der Lizenzgeberin und der Lizenznehmerin bestimmte Anforderungen an die Art und Weise der Nutzung stellt, beispielsweise die Namensnennung der Urheberin (siehe Abschnitt 3.a). Die jeweiligen Anforderungen unterscheiden sich zwar grundlegend abhängig davon, welche Lizenz die Urheberin gewählt hat. So vermittelt eine CC BY-Lizenz der Nutzerin weitergehende Freiheiten als beispielsweise eine CC BY-NC-ND- (Non-Commercial, No-Derivates) oder CC BY-SA-NC- (ShareAlike, Non-Commercial)-Lizenz. Nichtsdestotrotz ist allen Lizenzen gemein, dass die Lizenznehmerin nicht völlig frei im Umgang mit dem Werk ist.
3 Das wirft die Frage auf, wie die Lizenzgeberin auf Verstöße gegen die Bedingungen der Creative Commons-Lizenz reagieren kann: Steht sie dem völlig machtlos gegenüber oder kann sie die Einhaltung der Lizenzbedingungen durchsetzen? Und wenn ja, wie und mit welchem Ziel und mit welcher Erfolgsaussicht?
4 Die Antwort hierauf findet sich einerseits im Vertragsrecht, schließlich haben Lizenzgeberin und Lizenznehmerin mit der Creative Commons-Lizenz einen Vertrag geschlossen (siehe CCPL Einl Rn. 5). Andererseits baut die Creative Commons-Lizenz auf den Erfahrungen mit Open Source-Lizenzen auf und gibt der Lizenzgeberin weitergehende Rechte, die unmittelbar aus ihrem Werk herrühren. Das zweite Standbein der Rechtsdurchsetzung sind daher die urheberrechtlichen Vorschriften, die insbesondere dadurch besondere Geltung erlangen, dass die Lizenznehmerin bei einem Verstoß gegen die Bedingungen des Lizenzvertrags das ihr ursprünglich nach § 31 Abs. 1 S. 1 UrhG eingeräumte Nutzungsrecht automatisch und unmittelbar verliert (siehe Abschnitt 6 Rn. 2, 11, 14, 20),
II. Durchsetzung und CC Enforcement Principles
5 Wie gesehen, hat die Lizenzgeberin durchaus Ansprüche und kann diese auch durchsetzen. Sie kann ihren Anspruch grundsätzlich unmittelbar bei einem Gericht geltend machen, wenn sie zuvor alle hierfür nötigen Informationen zusammengetragen hat, insbesondere die Identität der (die Lizenzbedingungen verletzenden) Lizenznehmerin. In der Praxis wird dies allerdings eher der letzte Schritt sein. Üblich ist es vielmehr, die Lizenznehmerin vor der Inanspruchnahme der Gerichte unmittelbar anzusprechen, sei es formlos durch einen Hinweis auf die Nutzung unter Missachtung der Lizenzbedingungen oder – möglicherweise als weiterer Eskalationsschritt – durch eine anwaltliche Abmahnung, durch die aber bereits Kosten entstehen, wobei dann darum gestritten werden kann, wer diese zu tragen hat (zur Abmahnung Rn. 23, 61, 69).
6 Hierbei sollte die Lizenzgeberin beachten, dass ein Verstoß gegen die Lizenzbedingungen in vielen Fällen nicht auf böser Absicht beruht. So kann es sein, dass die Lizenznehmerin gar nicht wusste, dass sie das Werk nur unter den Bedingungen der Lizenz nutzen darf, beispielsweise, weil sie es „irgendwo im Internet“ gefunden hat und sich über die Voraussetzungen für eine Nutzung keine näheren Gedanken gemacht hat.
B. Die Durchsetzung im Einzelnen
7 Wie zuvor dargestellt, knüpfen die Creative Commons-Lizenzen an die Nutzung der Werke bestimmte Bedingungen. Werden diese verletzt, stellt dies einerseits einen Vertragsverstoß dar und begründet andererseits, aufgrund der Verknüpfung des Nutzungsrechts mit der Einhaltung der Lizenzbedingungen (Abschnitt 6 Rn. 11), gesetzliche Ansprüche aus dem UrhG. Dies führt im Ergebnis dazu, dass auch bei einem Verstoß gegen Bedingungen, auf die nur vertraglich ein Anspruch besteht, z.^B. der Pflicht, neben der Namensnennung auch einen Link hinzuzufügen sowie einen Verweis auf die Lizenzbedingungen aufzunehmen, die Ansprüche aus §§ 97^ff. UrhG geltend gemacht werden können. Da diese meist effektiver sind, soll hier nur auf die gesetzlichen Ansprüche und deren Durchsetzung und nicht auf die vertraglichen Ansprüche näher eingegangen werden.
I. Ansprüche
8 Ein Verstoß gegen Rechte aus dem UrhG begründet eine Reihe gesetzlicher Ansprüche gemäß § 97^ff. UrhG. Die in der Praxis (auch bei Creative Commons-Lizenzen) relevantesten sollen nachfolgend beleuchtet werden.
1. Unterlassung und Beseitigung
9 Der weitaus wichtigste Anspruch (im gesamten gewerblichen Rechtsschutz) ist der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, der sich insbesondere aus § 97 Abs. 1 UrhG ergibt. Die Urheberin kann hiermit erwirken, dass die als rechtsverletzend monierte weitere Nutzung nicht mehr fortgeführt wird. Verstöße gegen eine entsprechende gerichtliche Entscheidung können durch Zwangsmittel nach § 890 ZPO belegt werden. Der Unterlassungsanspruch umfasst allerdings nicht nur die (reine) Unterlassung der Verletzungshandlung, sondern auch die Beseitigung eines Störungszustandes.
10 Wiederholungsgefahr. Der Unterlassungsanspruch ist in die Zukunft gerichtet, vergangene Rechtsverletzungen erfasst er nicht. Ein Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs ist daher die Gefahr, dass die Verletzung erneut begangen wird, die sogenannte Wiederholungsgefahr. Begeht die Lizenznehmerin eine Verletzungshandlung, dann wird die Wiederholungsgefahr grundsätzlich vermutet. Diese Vermutung scheidet nur unter besonderen Umständen aus. Sie kann insbesondere in der Regel nicht durch eine Einstellung der Verletzungshandlung ausgeräumt werden. Erforderlich ist vielmehr, dass die Lizenznehmerin bzw. Verletzerin eine (hinreichend) strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt.
11 Wiederholungsgefahr und Wiederauflebensklausel. Bisher ungeklärt ist der Einfluss der in Version 4.0 der Creative Commons-Lizenz eingeführten Wiederauflebensklausel (Abschnitt 6.b) auf die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Einerseits erlischt nach Abschnitt 6.a das eingeräumte Nutzungsrecht, sobald gegen die Bedingungen des Lizenzvertrags verstoßen wird (siehe dazu Abschnitt 6 Rn. 14^ff.). Andererseits soll das Nutzungsrecht automatisch wiederaufleben, wenn die Lizenznehmerin die Verletzung binnen 30 Tagen nach Kenntnis der Verletzungshandlung abstellt. Die Lizenznehmerin kann daher durch Abstellen der Verletzung jedenfalls ihre künftige Nutzung legalisieren. Allerdings war es wohl auch schon bei den Vorversionen möglich, das (weiterhin bestehende und mit dem Werk verknüpfte) Angebot der Lizenzgeberin auf Abschluss eines Lizenzvertrags nach Abstellen der Verletzungshandlung erneut anzunehmen und dadurch wieder in den Genuss des Nutzungsrechts zu kommen (dazu näher Abschnitt 6 Rn. 28). Fraglich ist, ob hierdurch auch die Wiederholungsgefahr ausgeräumt wird. Dagegen könnte die Regelung in Abschnitt 6.b Unterabsatz 2 der CCPL sprechen, nach der die Rechte der Lizenzgeberin, Ausgleich für die Verletzung von Rechten zu verlangen, nicht eingeschränkt werden sollen. Ob allerdings eine Unterlassung als „Ausgleich“ in diesem Sinne anzusehen ist, ist unklar. Nach hier vertretener Auffassung sollte – wie auch sonst im gewerblichen Rechtsschutz – die Wiederholungsgefahr nur durch Einstellung der Rechtsverletzung nicht entfallen.
2. Namensnennung
12 Ein ganz wesentlicher Teil des (kontinental-europäisch geprägten) Urheberrechts ist das Recht auf Namensnennung aus § 13 S. 1 UrhG, das als Ausfluss und besondere Erscheinungsform des Rechts der Urheberinnen auf Anerkennung ihrer Urheberschaft am Werk besteht.
3. Schadensersatz
13 Neben der Unterlassung die größte Bedeutung haben Ansprüche auf Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 UrhG. Beide werden üblicherweise gemeinsam geltend gemacht.
14 Dreifache Schadensberechnung. Eine Besonderheit urheberrechtlicher Ansprüche, die auch bei der Verwendung von Creative Commons-Lizenzen von Bedeutung ist, ist die Art und Weise der Schadensberechnung. Im Urheberrecht (wie in weiten Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes) gilt die sogenannte dreifache Schadensberechnung. Die durch eine dritte Person verletzte Urheberin kann ihren Anspruch wahlweise auf drei verschiedene Arten berechnen: Sie kann (1) den Verletzergewinn herausverlangen, also dasjenige, was die unberechtigte Nutzerin durch die Verwertung des Werks erlangt hat, oder (2) den tatsächlich erlittenen Schaden, insbesondere in Form eines entgangenen Gewinns und (3) schließlich kann die Urheberin den Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen.
15 Im Rahmen der Berechnung des Schadens nach der Lizenzanalogie sind entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die auch bei freien Lizenzverhandlungen Einfluss auf die Höhe der Vergütung gehabt hätten.
16 Lizenzanalogie bei Creative Commons-Lizenzen. Geht man nach diesen Grundsätzen von der üblichen Lizenzpraxis bei einem unter Creative Commons-Lizenz stehenden Werk aus, muss man feststellen, dass es gerade das Wesen der Creative Commons-Lizenzen ist, dass das Nutzungsrecht kostenlos erteilt wird. Der naheliegende Lizenzbetrag unter Zugrundelegung der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beträgt daher im ersten Ansatz Null, was u.a. das OLG Köln so sieht,
17 Es sollte dennoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Lizenzschaden bei Nutzung eines unter Creative Commons-Lizenz stehenden Werks unter Verstoß gegen die Lizenzbedingungen oder ggf. auch nur gegen einen Teil derselben immer und stets tatsächlich mit Null anzusetzen ist. Denn auch wenn das Nutzungsrecht bei der Creative Commons-Lizenz kostenlos erteilt wird, steht die Erteilung des Nutzungsrechts unter bestimmten Bedingungen, denen ihrerseits ein wirtschaftlicher Wert zukommen kann, der jedoch nur schwer zu beziffern ist.
18 Die Beispiele zeigen, dass die Bezifferung bzw. Schätzung des Schadens im Rahmen der Lizenzanalogie auf einen Wert höher als Null nicht ohne jede Grundlage wäre und – entsprechenden Vortrag vorausgesetzt – gerade nicht “in der Luft” hinge. Dementsprechend wird auch vertreten, dass grundsätzlich ein gewisser, wenn auch relativ geringer Wert für den Schadensersatz bei Verletzung der Creative Commons-Lizenzbedingungen anzusetzen ist.
19 In der Praxis wird es letztlich ganz maßgeblich auf den Vortrag der Lizenzgeberin ankommen.
20 Schaden und Heilungsklausel. Wie oben dargestellt enthält die Creative Commons-Lizenz ab Version 4.0 in Abschnitt 6.b eine Klausel, nach der die erteilte Lizenz, die durch einen vorangegangenen Verstoß entfallen ist, wieder auflebt, wenn die Verletzung binnen 30 Tagen ab Kenntnis von der Verletzung abgestellt wird. Der Geltendmachung von Schadensersatz steht Abschnitt 6.b jedoch nicht entgegen, da Abschnitt 6.b UAbs. 2 die Rechte der Lizenzgeberin auf Ausgleich nicht einschränkt.
4. Auskunft
21 Die Creative Commons-Lizenzen enthalten keine speziellen Regelungen zum Auskunftsrecht der Lizenzgeberin. Daher ist grundsätzlich auf die gesetzlichen Ansprüche zurückzugreifen. In Verbindung mit § 242 BGB stellt jedoch auch der Lizenzvertrag eine Grundlage für Auskunftsansprüche dar.
22 § 101 UrhG sieht vor, dass im Fall einer Verletzung des Urheberrechts in gewerblichem Ausmaß die Urheberin Auskunft über das Ausmaß der Rechtsverletzung verlangen kann. Der Anspruch besteht in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung gemäß § 101 Abs. 2 UrhG auch gegen Dritte, z.^B. Host Provider oder auch Access Provider und nach § 101 Abs. 7 UrhG sogar im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (Rn. 46^ff.). Da § 101 UrhG andere Auskunftsansprüche unberührt lässt,
5. Ersatz von Abmahnkosten; Unterlassungserklärung
23 Bei gewerblichen Schutzrechten werden häufig Abmahnungen ausgesprochen, um eine Rechtsverletzung bereits vorgerichtlich abzustellen und so ein zeit- und kostenaufwändiges Verfahren zu vermeiden. Während früher Ersatz der Kosten der Abmahnung über die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683, 670, 677 BGB verlangt werden konnte,
Die [Name Verletzerin] verpflichtet sich – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich – gegenüber [Name Rechtsinhaberin], es bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung von der Unterlassungsgläubigerin festzusetzenden, angemessenen, im Streitfall durch das zuständige Amts- oder Landgericht zu überprüfenden Vertragsstrafe zu unterlassen,
[Konkretisierung der Rechtsverletzung].
a) Anforderungen
24 Die Abmahnung hat nach § 97a Abs. 2 Satz 1 UrhG in klarer und verständlicher Weise (Nr. 1) Name oder Firma der Verletzten anzugeben, wenn die Rechtsinhaberin nicht selbst, sondern eine Vertreterin abmahnt, (Nr. 2) die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
b) Deckelung der Abmahnkosten
25 Im Grundsatz sind nach § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG die Kosten der Abmahnung zu erstatten, soweit diese berechtigt ist, also im Umfang der anwaltlichen Kosten, die ihrerseits in der Regel nach dem RVG berechnet werden und vom Gegenstandswert der Abmahnung abhängen (vgl. zum Streitwert siehe unten Rn. 62). Erfolgt die Abmahnung jedoch gegenüber einer natürlichen Person, die das Werk nicht für ihre gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit verwendet – wie es bei der Verwendung von Werken unter Creative Commons-Lizenz häufig der Fall sein wird – und ist die abgemahnte Person nicht zum Beispiel durch einen bereits geschlossenen Unterlassungsvertrag zur Unterlassung verpflichtet, dann ist der Ersatzanspruch auf einen Anspruch nach einem Gegenstandswert von 1.000 € für den Unterlassungsanspruch gedeckelt. Hiervon gilt wiederum eine Rückausnahme für den Fall, dass der gedeckelte Gegenstandswert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.
c) Verteidigung
26 Soweit die Abmahnung unberechtigt oder nach § 97a Abs. 2 Satz 2 UrhG unwirksam ist, kann die abgemahnte Person für die anwaltliche Verteidigung gegen die Abmahnung ihrerseits gemäß § 97a Abs. 4 Satz 1 UrhG Kostenersatz verlangen.
d) Reaktion auf Abmahnung bei Verstoß; Unterlassungserklärung; CC BY 4.0
27 Wurde die Lizenznehmerin von der Lizenzgeberin zu Recht abgemahnt, lag also ein Verstoß gegen die Lizenz vor, versteht es sich von selbst, dass dieser Verstoß umgehend eingestellt werden sollte. Im Falle einer Creative Commons-Lizenz der Version 4.0 kommt die Lizenznehmerin, sofern sie die Verletzung spätestens 30 Tage nach Kenntnis vom Verstoß, also in der Regel 30 Tage nach Erhalt der Abmahnung, abstellt, gemäß Abschnitt 6.b in den Genuss einer erneut erteilten Lizenz. Wie oben (Rn. 11) dargestellt, dürfte diese Heilung die Wiederholungsgefahr jedoch nicht entfallen lassen, so dass ggf. dennoch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben werden muss.
6. Vertragsstrafe bei Verstoß gegen Unterlassungserklärung
28 Hat die Lizenzgeberin wegen eines Verstoßes die Nutzerin abgemahnt und hat diese – zur Vermeidung eines Rechtsstreits – eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, dann kann die Lizenzgeberin im Falle eines (erneuten und schuldhaften) Verstoßes die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe verlangen. Das gilt auch bei Creative Commons-Lizenzen und unabhängig davon, dass der lizenzanaloge Schaden in der Regel Null beträgt.
29 Grundsätzlich kann die Lizenzgeberin für jeden einzelnen erneuten Verstoß die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe verlangen. Was genau ein einzelner Verstoß ist, ist im Einzelfall zu betrachten, wobei im Kern die strafrechtlichen Grundsätze zur Handlungseinheit und Handlungsmehrheit Anwendung finden. Vereinfacht gesagt liegt eine Handlung vor, wenn aufgrund eines Tatentschlusses gehandelt wird. Gleiches gilt für die Begehung durch Unterlassen. Bei der Verletzung von Rechten über das Internet, gerade durch Unterlassen, wird meist nur eine einzelne Verletzungshandlung in Handlungseinheit vorliegen, auch wenn das Werk über einen längeren Zeitraum im Internet angeboten und von mehreren Personen heruntergeladen wurde.
7. (Kein direkter) Einfluss der Enforcement Principles
30 Die oben dargestellten Creative Commons Enforcement Principles sind bisher in der einschlägigen Rechtsprechung nicht diskutiert worden, was daran liegen mag, dass sie noch relativ neu sind. Unabhängig davon dürften sie jedoch auch kaum (direkten) Einfluss auf die Durchsetzung von Rechten sowie das Verhältnis zwischen Lizenzgeberin und Lizenznehmerin haben. Zum einen sind sie nicht Teil des Lizenzvertrages und werden auch nicht anderweitig in den Vertrag unmittelbar einbezogen. Sie wirken aber auch nicht mittelbar in den Vertrag hinein. Zwar hat die Rechtsprechung zum Beispiel im Hinblick auf die eBay-AGB, die für Käufer und Verkäufer jeweils nur im Verhältnis mit eBay selbst vereinbart wurden, eine mittelbare Wirkung angenommen.
II. Das gerichtliche Verfahren
1. Zuständigkeit und anwendbares Recht
31 Soll ein Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden, muss zunächst das zuständige Gericht bestimmt werden.
a) Internationale Zuständigkeit
32 Zunächst ist zu klären, ob die deutschen Gerichte international zuständig sind. Bei der internationalen Zuständigkeit von besonderer Bedeutung sind für den deliktischen Gerichtsstand bei Urheberrechtsverletzungen § 32 ZPO und die EU-VO 1215/2012 (Brüssel Ia-VO), die für Sachverhalte Anwendung findet, bei denen die beklagte Person ihren Wohn- oder Geschäftssitz in der Europäischen Union hat. Nach Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO sind Klagen grundsätzlich im Sitzland der beklagten Person zu erheben. Von besonderer Bedeutung ist für urheberrechtliche Ansprüche aber insbesondere der besondere deliktische Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO, wonach Klagen auch am Erfolgs- und Handlungsort erhoben werden können, also am Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs sowie am Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens. Nicht erforderlich ist insoweit, dass eine Webseite auf ein bestimmtes Land ausgerichtet oder eine Webseite dort „bestimmungsgemäß“ abrufbar ist.
b) Nationale örtliche Zuständigkeit
33 Die Bestimmung des national zuständigen Gerichts richtet sich nach den allgemeinen Regeln (für die örtliche Zuständigkeit §§ 12^ff. ZPO). Klagen sind danach grundsätzlich am Sitz der beklagten Person zu erheben (§ 12 ZPO). Werden vertragsrechtliche Ansprüche (beispielsweise auf Zahlung einer vereinbarten Vertragsstrafe
c) Sachliche Zuständigkeit
34 Anschließend ist zu klären, ob der Anspruch vor dem Amts- oder dem Landgericht anhängig zu machen ist (sog. sachliche Zuständigkeit). Von Relevanz ist insoweit insbesondere die streitwertabhängige Zuständigkeit nach §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG: Bis zu einem Streitwert von 5.000 € sind die Amtsgerichte zuständig, darüber die Landgerichte (zur Bestimmung des Streitwerts siehe Rn. 62^f.), wobei geplant ist, diese Grenze auf 8.000 € anzuheben.
d) Anwendbares Recht
35 Sodann ist nach dem auf den konkreten Fall anwendbaren Recht zu fragen. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass ein deutsches Gericht ausländisches und nicht nur deutsches Recht anwendet. Ausgangspunkt der Prüfung ist Art. 3 EGBGB, der vorrangig auf Regelungen der Europäischen Union (insbesondere der Rom-I-VO (EG) 593/2008 für das internationale Vertragsrecht und der Rom-II-VO (EG) 864/2007 für außervertragliche Schuldverhältnisse) und völkerrechtliche Verträge verweist. Bestehen solche nicht, ist auf Art. 3^–^49 EGBGB zurückzugreifen. Speziell in Bezug auf das hier hauptsächlich relevante internationale Urheberrecht findet sich bislang keine umfassende Regelung. Nach Art. 8 Abs. 1 Rom-II-VO ist jedoch auf Verletzungen geistiger Eigentumsrechte und die hieraus resultierenden Rechtsfolgen europaweit einheitlich das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird. Dieses sogenannte Schutzlandprinzip führt im Ergebnis (jedenfalls für deliktische Ansprüche wie bei Urheberrechtsverletzungen) dazu, dass deutsches (Urheber‑)Recht anzuwenden ist, wenn vor einem deutschen Gericht Schutz aus dem Urheberrecht für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland begehrt wird.
36 Für vertragliche Ansprüche hingegen gilt das sogenannte Vertragsstatut. Die Parteien sind nach Art. 3 Rom-I-VO im Grundsatz frei darin, welchem Recht sie ihr Vertragsverhältnis unterstellen wollen. Die Creative Commons-Lizenzen sehen grundsätzlich keine Rechtswahlklausel vor. Anders ist dies teilweise bei portierten Lizenzen (hierzu siehe Einl Rn. 43, 48; VorCCPL Rn. 36), z.^B. der CC BY-Namensnennung 2.0 DE, die in Abschnitt 8.f die Anwendung deutschen Rechts bestimmt. Denkbar ist auch, dass im Rahmen eines Unterlassungsvertrages nach einer Rechtsverletzung eine Rechtswahl getroffen wird. Gegenüber Verbrauchern kann eine solche Rechtswahl allerdings gemäß Art. 6 Rom-I-VO ausgeschlossen sein, jedenfalls soweit es um die Anwendung des deutschen AGB-Rechts geht.
2. Prozessführungsbefugnis
37 Nur selten problematisch ist die Prozessführungsbefugnis, also die (prozessuale) Berechtigung, ein Gerichtsverfahren zu führen. Bei der Urheberin als Rechtsinhaberin und Verletzte ist diese Befugnis zweifellos gegeben.
3. Antragsformulierung
38 Eine wichtige Weichenstellung in jedem (zivilrechtlichen) Gerichtsverfahren ist die Antragstellung, denn sie bestimmt – zusammen mit dem zugrundeliegenden Sachverhalt – worum ganz konkret gestritten wird. Die Formulierung dieses Antrags ist nicht immer ganz einfach, weil der Antrag insbesondere den Anforderungen gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, nämlich dem Grundsatz der Bestimmtheit, entsprechen muss.
a) Zahlung
39 Wird nur die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages, beispielsweise Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung, begehrt, stellt dies kein größeres Problem dar. Der Antrag geht dahin, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag X zu zahlen.
b) Unterlassung
40 Deutlich komplexer wird die Formulierung, wenn ein bestimmtes Verhalten untersagt werden soll. Im Grundsatz lautet der Antrag, dass unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel eine bestimmte Verletzungshandlung zu unterlassen ist,
41 Ein Beispiel für einen solchen Antrag könnte lauten:
Es wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,–, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,–, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, das [Werk/Bild/Video etc.]
[ Einblendung (Original‑)Bild o.^ä.; alternativ „gemäß Anlage K2“ ]
öffentlich zugänglich zu machen, ohne die Klägerin mit der Bezeichnung „XYZ“ zu benennen,
wenn dies geschieht wie in Anlage K1 ersichtlich.
c) Schadensersatz und Auskunft
42 Wird ein bestimmter Betrag als Schadensersatz verlangt, ist dieser im Antrag konkret zu beziffern. Da bei der Verletzung gewerblicher Schutzrechte der Schadensersatz einerseits auf dreifache Art und Weise berechnet werden kann (siehe Rn. 13^ff.) und er andererseits häufig bei Klageerhebung in der Höhe noch nicht feststeht, ist es üblich, einen Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht zu stellen, meist nach § 254 ZPO gepaart mit einem Auskunftsantrag im Wege der Stufenklage,
Es wird beantragt,
1. [Unterlassungsantrag]
2. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Zeitraum das im Antrag zu 1. bezeichnete Werk öffentlich zugänglich gemacht worden ist,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch die Handlung gemäß Antrag zu 1. entstandenen Schaden zu ersetzen.
43 Ist die geforderte Auskunft erteilt, kann in der nächsten Stufe der Antrag zu 3. nachträglich beziffert werden.
d) Negative Feststellung
44 Ist eine Abmahnung ausgesprochen worden, die möglicherweise (ggf. teilweise) unberechtigt ist, kann sich die abgemahnte Person hiergegen klageweise mit der negativen Feststellungsklage wehren (dazu Rn. 55 f.). Der Antrag ist jeweils darauf gerichtet, dass das in der Abmahnung verlangte Verhalten (zum Beispiel Unterlassung, Schadensersatz, Ersatz von Abmahnkosten) nicht geschuldet ist. Ein Antrag könnte daher beispielsweise wie folgt lauten:
Es wird beantragt,
1. festzustellen, dass die Klägerin nicht gegenüber der Beklagten verpflichtet ist, es zu unterlassen, das Werk [Einblendung des Bildes] ohne entsprechende Erlaubnis im Internet öffentlich zugänglich zu machen,
2. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, an die Beklagte einen Betrag i.H.v. X € als Schadensersatz zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, der Beklagten die Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert in Höhe von Y € zu erstatten.
45 Ist das Verhalten, das die Abmahnende im Abmahnschreiben verlangt hat, nicht hinreichend konkret, ist zu empfehlen, im Antrag auf das – selbstverständlich beigefügte – Abmahnschreiben Bezug zu nehmen.
4. Einstweilige Verfügungen
a) Einstweiliges Verfügungsverfahren
46 Bei der Verletzung gewerblicher Schutzrechte ist es nicht ungewöhnlich, wenn Verletzungshandlungen im Eilverfahren nach §§ 936, 916^ff. ZPO angegriffen werden. Das einstweilige Verfügungsverfahren dient insoweit dazu, Rechtsverletzungen in einem etwas vereinfachten Verfahren kurzfristig und im Wege einer vorläufigen Regelung zu beseitigen. Da das Eilverfahren nur dazu dient, vorläufige Regelungen zu treffen, geht es fast ausschließlich um Unterlassungsanträge. Schadensersatzansprüche können aufgrund des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache (im Eilverfahren) hingegen nicht geltend gemacht werden. Zwar ist es bei einer offensichtlichen Rechtsverletzung gemäß § 101 Abs. 1, 7 UrhG in gewissem Umfang auch möglich, Auskunftsansprüche zu erheben. Da für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs aber in der Regel weitergehende Auskünfte gemäß § 242 BGB erforderlich sind, wird hiervon im Eilverfahren meist abgesehen, sofern es nicht – wie zum Beispiel bei Produktpiraterie – um die schnelle Aufdeckung von Vertriebsnetzen geht.
47 Üblicherweise – und das wird bei der Verletzung von Werken unter Creative Commons-Lizenz der Normalfall sein – wird die Verletzerin zunächst auf die rechtswidrige Nutzung aufmerksam gemacht, zum Beispiel durch eine Abmahnung. Erst wenn die Verletzungshandlung daraufhin nicht eingestellt und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird, sollte ein Eilverfahren eingeleitet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das angerufene Gericht gemäß § 937 Abs. 2 ZPO durch Beschluss, also ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Ggf. muss es dafür zuvor die Gegenseite (in der Regel schriftlich) anhören.
b) Dringlichkeit
48 Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist neben einem Anspruch, der selbstverständlich auch im Hauptsacheverfahren benötigt wird (im Eilverfahren als Verfügungsanspruch bezeichnet, vgl. §§ 936, 916 ZPO), ein sogenannter Verfügungsgrund, vgl. §§ 935, 940, 917 ZPO. Dieser liegt vor, wenn ohne die Eilanordnung der Anspruch vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Es ist daher grundsätzlich zu fragen, ob für die Antragstellerin im Falle der Verweisung auf das (ggf. zeitaufwändige) Hauptsacheverfahren Nachteile ersichtlich werden. Man bezeichnet dies auch als Dringlichkeit. Es kommt dabei insbesondere darauf an, ob die Antragstellerin nach Kenntnis von der Rechtsverletzung hinreichend schnell reagiert und das Eilverfahren eingeleitet hat. Bei den (aufgrund der Zuständigkeitskonzentration in den Bundesländern) spezialisierten Gerichten werden hierfür sogenannte Regelfristen angenommen, die zwischen vier Wochen und zwei Monaten ab Kenntnis von der Rechtsverletzung betragen. Wird diese Frist aus gutem Grund überschritten, sollte hierzu direkt mit dem Eilantrag erläuternd vorgetragen werden. Auch ansonsten muss die Antragstellerin das Verfahren jederzeit zügig betreiben, um zu zeigen, dass ihr die Sache dringlich ist.
49 Von der Frage der Dringlichkeit ist die Wiederholungsgefahr (dazu oben Rn. 11) zu unterscheiden. Während die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann, gilt dies für die Frage, ob ein Verfügungsgrund besteht, nicht ohne Weiteres. Denn für die Dringlichkeit wird eine fortdauernde Verletzung oder eine zeitnahe Wiederholung gefordert.
c) Dringlichkeit und Wiederauflebensklausel
50 Ein weiteres Problem für den Verfügungsgrund kann die seit Version 4.0 der CCPL aufgenommene Wiederauflebensklausel aus Abschnitt 6.b.1 darstellen (dazu oben Rn. 11 und Abschnitt 6 Rn. 14 ff.), wobei die Legalisierung des künftigen Verhaltens wohl auch in den älteren Versionen der Creative Commons-Lizenzen schon möglich war (siehe Abschnitt 6 Rn. 14^ff.). Denn wenn die Lizenznehmerin die weitere Nutzung durch Abstellen der Verletzung der Lizenzbedingungen legalisieren kann, könnte man angesichts der in den Lizenzbedingungen ausdrücklich vorgesehenen Vorkehrungen annehmen, dass hiervon auch die Dringlichkeit betroffen ist und die Lizenzgeberin – ähnlich wie im Fall „Trainerfoto“ des OLG Köln
51 Wurde der Eilantrag während noch laufender Frist nach Abschnitt 6.b.1 eingereicht und stellt die Lizenznehmerin sodann den Lizenzverstoß ab, so ist – mit Blick auf den möglicherweise entfallenden Verfügungsgrund – zu erwägen, den Eilantrag gemäß § 91a ZPO für erledigt zu erklären und den Antrag zu stellen, der Lizenznehmerin die Kosten des Eilverfahrens aufzuerlegen.
52 Ein weiterer Gesichtspunkt für das laufende Verfahren nach Ablauf der 30-Tage-Frist in Abschnitt 6.b.1 ist die Regelung in Abschnitt 6.b.2, durch die die Lizenzgeberin die Lizenznehmerin „in die Lizenz wiedereinsetzen“ kann, was im Kern eine erneute Einräumung des Nutzungsrechts unter den Bedingungen des Lizenzvertrages darstellen dürfte (näher dazu Abschnitt 6.b.2 Rn. 20^f.). Diese Möglichkeit besteht während eines laufenden Verfahrens jederzeit, zum Beispiel als Teil einer vergleichsweisen Einigung der Parteien.
d) Glaubhaftmachung
53 Eine weitere Besonderheit des einstweiligen Verfügungsverfahrens liegt in der Änderung der zulässigen Beweismittel und des Beweismaßes. Nach § 294 Abs. 1 ZPO ist einerseits die Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung möglich, andererseits reicht es für die Glaubhaftmachung abweichend von § 286 ZPO aus, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die jeweilige Behauptung wahr ist.
e) Verfahren
54 Das Eilverfahren wird durch eine entsprechende Antragsschrift eingeleitet (zur Antragsformulierung siehe oben Rn. 41^ff.). Die Entscheidung des Gerichts muss die Antragstellerin selbst der Antragsgegnerin (im Parteibetrieb gemäß §§ 191^–^195 ZPO) binnen eines Monats (vollständig und wirksam) zustellen (§§ 936, 929 Abs. 2 ZPO). Tut sie das nicht, ist die einstweilige Verfügung schon allein aus diesem Grunde aufzuheben. Hat das Gericht mittels Beschluss entschieden, kann die Antragsgegnerin hiergegen Widerspruch einlegen (§§ 936, 924 ZPO), über den das Gericht mündlich verhandeln muss.
5. Negative Feststellungsklage
55 Hat die Lizenzgeberin die Lizenznehmerin wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Lizenzbedingungen abgemahnt, kann sich die Lizenznehmerin hiergegen anwaltlich vertreten verteidigen und insoweit Ersatz der Kosten verlangen, wenn die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam war (siehe oben Rn. 23). Zusätzlich bzw. unabhängig hiervon kann die Nutzerin, wenn sie meint, dass die Abmahnung (ggf. teilweise) unberechtigt war, negative Feststellungsklage erheben. Diese ist darauf gerichtet, festzustellen, dass der abmahnenden Person der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Das hierfür nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt aufgrund der zuvor ausgesprochenen Abmahnung vor (zur Antragsfassung siehe oben Rn. 38^ff.).
56 Bei der negativen Feststellungsklage gibt es eine weitere Besonderheit, die zu beachten ist: Sie ist gegenüber der positiven Leistungsklage, also der Klage, die auf die jeweilige (in der Abmahnung geltend gemachte) Leistung gerichtet ist, subsidiär. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass die abgemahnte Person zunächst eine negative Feststellungsklage erhebt und sodann die abmahnende Person (ggf. sogar an einem anderen, nach § 32 ZPO zuständigen Gericht) ihrerseits auf Leistung klagt. In diesem Fall fällt das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für die negative Feststellungsklage weg. Die abgemahnte (und negativ klagende) Person wird sodann ihren Rechtsstreit gemäß § 91a ZPO in dem Umfang für erledigt erklären müssen, wie sich positive Leistungs- und negative Feststellungsklage decken, also in der Regel vollständig.
6. Darlegungs- und Beweislast
a) Beibringungsgrundsatz
57 Der deutsche Zivilprozess ist als Parteiprozess ausgestaltet. Nach dem Beibringungsgrundsatz müssen daher die Parteien dem Gericht den Sachverhalt darbringen. Hierfür sieht das Zivilprozessrecht ein komplexes System der Darlegungs- und Beweislast vor, dessen konkrete Ausgestaltung nicht selten über den Ausgang eines Prozesses entscheidet, weil Beweisschwierigkeiten schlussendlich zu Lasten der insoweit betroffenen Partei gehen.
b) Aktivlegitimation
58 Insbesondere muss die klagende Partei zunächst ihre Aktivlegitimation darlegen, also die Umstände, nach denen sie behauptet, ein Recht geltend machen zu können. Im Fall der Lizenzgeberin muss sie also darlegen und beweisen, dass das mit einer Creative Commons-Lizenz an die Lizenznehmerin gelangte Werk von ihr stammt, sie also die Urheberin oder Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts ist. Eine wesentliche Erleichterung hierfür sind die Vermutungsregeln nach § 10 Abs. 1 UrhG (Vermutung der Urheberschaft) bzw. § 10 Abs. 3 UrhG (Vermutung eines ausschließlichen Nutzungsrechts), die greifen, wenn eine Urheberbezeichnung in üblicher Weise am Werk angebracht ist. Abschnitt 3.a.1.A.ii der CCPL sieht ausdrücklich vor, dass ein vorhandener ©-Vermerk beizubehalten ist. Bei Texten wird diese Urheberbezeichnung üblicherweise die Autorenangabe oder entsprechende Bezeichnungen im Impressum (so auch bei Webseiten) sein. Bei Bildern und Fotografien kommt es auf die Bildnachweise (zum Beispiel den ©-Vermerk) an,
c) Passivlegitimation
59 Auch die Passivlegitimation, also im Kern die Verletzungshandlung, muss die klagende Person darlegen und beweisen. Dies erfolgt bei Handlungen über das Internet üblicherweise durch Vorlage entsprechender Screenshots.
d) Nutzungsrechte und Einreden
60 Beruft sich die beklagte Person auf die Einräumung eines Nutzungsrechts, zum Beispiel durch Abschluss einer Creative Commons-Lizenz, trägt sie die Darlegungs- und Beweislast sowohl für die behauptete Einräumung als auch für deren Umfang und Reichweite.
e) Deckelung der Abmahnkosten
61 Macht die abgemahnte Person geltend, dass die Kosten für die Abmahnung gemäß § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG gedeckelt sind (dazu oben Rn. 25), ist sie hierfür darlegungs- und beweisbelastet.
7. Streitwert und Gebühren
62 Die Kosten eines Gerichtsverfahrens bestimmen sich insbesondere danach, welcher Streitwert für das Verfahren anzusetzen ist. Bei Zahlungsanträgen (zum Beispiel auf Schadensersatz oder Zahlung einer Vertragsstrafe) ist der jeweils verlangte Betrag anzusetzen. Für urheberrechtliche Unterlassungsansprüche wird häufig ein Wert von mehreren tausend Euro angenommen.
63 Für Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche wird üblicherweise ein Bruchteil des Unterlassungsstreitwerts festgesetzt. Werden Kosten der Abmahnung geltend gemacht, wirken sich diese auf den Streitwert überhaupt nicht aus, wenn sie neben dem Unterlassungsanspruch verlangt werden. Es handelt sich in diesem Fall um eine Nebenforderung im Sinne von §§ 4 ZPO, 43 GKG. Anderenfalls wird der konkrete Betrag angesetzt. Der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens wird üblicherweise mit 2/3 des Streitwerts der Hauptsache angesetzt.
III. Verteidigung
64 Sieht man sich mit einem Verfügungsverfahren, einer Klage oder einer Abmahnung konfrontiert, so stellt sich die Frage nach dem angemessenen Umgang hiermit. Sofern der Anspruch in der Sache und der Höhe nach gerechtfertigt ist, ist im Fall der Klage ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO sinnvoll, um die Kosten zu minimieren; im Fall der Abmahnung kann durch die sofortige Einstellung der Verletzungshandlung, sowie der Abgabe einer fristgemäßen strafbewehrten Unterlassungserklärung bei gleichzeitigem Ersatz der berechtigten Kosten (siehe oben: Anforderungen an Abmahnung; Ersatz von Abmahnkosten) gemäß § 97a UrhG ein gerichtliches Verfahren abgewendet werden. Durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung schließt man mit dem Lizenzgeber einen Vertrag, der eine Vertragsstrafe vorsieht, sofern die Rechtsverletzung erneut vorgenommen wird. Schon mit Zugang der Erklärung bei der Abmahnenden entfällt die Wiederholungsgefahr.
1. Rechtsmissbrauch
65 Wie bereits oben (vgl. Abschnitt 6 Rn. 19) dargestellt, ist es nicht ausgeschlossen, dass urheberrechtliche Ansprüche in einer Art und Weise eingesetzt werden, die mit der Rechtsordnung nicht in Einklang stehen, die sich also als rechtsmissbräuchlich darstellt. An solch einen Rechtsmissbrauch wird häufig gedacht, wenn ein Recht vielfach geltend gemacht wird, indem z.^B. viele Abmahnungen in kurzer Zeit ausgesprochen werden. Das allein reicht jedoch schon im Ansatz nicht aus, denn wenn ein Recht vielfach verletzt wird, dann darf sich die Rechtsinhaberin im Grundsatz selbstverständlich auch gegen alle diese Rechtsverletzungen wehren.
66 Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten führt grundsätzlich dazu, dass ein Ersatz der Abmahnkosten nicht geschuldet ist, weil in diesem Fall die Abmahnung nicht als berechtigt anzusehen ist.
67 Wann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Im Wettbewerbsrecht gibt es eine konkrete Regelung, wann von einem Rechtsmissbrauch auszugehen ist (§ 8c UWG, früher § 8 Abs. 4 UWG). § 8c UWG ist jedoch auf das Urheberrecht nicht, auch nicht analog, anwendbar. Andererseits gilt auch insoweit das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB, wobei die im Wettbewerbsrecht entwickelten Rechtsgrundsätze hier (doch) für die Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche herangezogen werden können.
68 Diese Grundsätze lassen sich auf die Abmahnung bei Verletzungen gegen Creative Commons-Lizenzen übertragen. Das AG Würzburg hat in Fällen einer Creative Commons-Lizenz angenommen, dass der dortige Rechtsinhaber die Kosten der Verteidigung gegen eine Abmahnung nach §§ 826, 249 BGB ersetzen musste, weil es davon überzeugt war, dass er systematisch Nutzer seiner Bilder anschrieb, um an diese überhöhte Forderungen in Form von Schadensersatzansprüchen zu stellen.
2. Verteidigung gegen Abmahnung
69 Ist eine Abmahnung ausgesprochen worden, kann sich die Lizenznehmerin dagegen (erfolgreich) verteidigen, soweit die Abmahnung unberechtigt ist, z.B. weil die Creative Commons-Lizenzbedingungen nicht verletzt wurden oder die Abmahnung aus anderem Grunde unwirksam ist, z.^B. weil sie die Anforderungen von § 97a Abs. 2 UrhG nicht erfüllt (dazu oben Rn. 24). In diesem Fall kann die Abmahnung schlicht zurückgewiesen werden. Nach § 97a Abs. 4 UrhG kann die Nutzerin, soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, sogar Ersatz der Kosten des eigenen, auf die Abmahnung hin eingeschalteten Rechtsbeistands ersetzt verlangen.
a) Sofortiges Anerkenntnis
70 Wurde eine Abmahnung ausgesprochen und wird hierauf nicht reagiert, ist für die Lizenzgeberin der nächste mögliche Schritt die Erhebung einer Klage oder die Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens. Wie oben (Rn. 23) dargestellt, ist die Aussprache einer vorherigen Abmahnung gemäß § 97a Abs. 1 UrhG nicht zwingend, aber empfehlenswert. Hat die Lizenzgeberin auf eine vorherige Abmahnung verzichtet, kann die Lizenznehmerin – sofern der Anspruch berechtigt ist oder sich die Lizenznehmerin nicht verteidigen will – im gerichtlichen Verfahren (also Hauptsacheverfahren ebenso wie einstweiliges Verfügungsverfahren) binnen der Erwiderungsfrist den Anspruch (sofort) anerkennen und damit die Rechtsfolge des § 93 ZPO auslösen. Danach muss, wenn die beklagte Partei keinen Anlass für eine Klage (oder ein einstweiliges Verfügungsverfahren) gegeben hat, die klagende Partei die Kosten tragen. Das ist typischerweise der Fall, wenn vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens keine Abmahnung ausgesprochen wurde.
b) Negative Feststellungsklage
71 Betrachtet die abgemahnte Lizenznehmerin die Ansprüche als unbegründet, kann sie diese vorgerichtlich zurückweisen und hierfür ggf. Ersatz von Anwaltskosten verlangen. Alternativ oder auch zusätzlich kann sie negative Feststellungsklage erheben, um eine gerichtliche Klärung der (Nicht‑)Berechtigung der mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche herbeizuführen (dazu oben Rn. 55^f.).
3. Strafrechtliches Vorgehen
72 Eine Ausnahme, aber letztlich dennoch eine Möglichkeit der Verteidigung, könnte darin liegen, dass die abgemahnte Lizenznehmerin gegen die angebliche Lizenzgeberin Strafanzeige wegen (versuchten) Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB stellt, beispielsweise wenn ein nichtexistentes Recht in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise geltend gemacht wird. Von dieser Möglichkeit sollte dennoch nur als ultima ratio Gebrauch gemacht werden. Denn zum einen sind solche Strafverfahren selten erfolgreich, weil der Nachweis einer betrügerischen Handlung in solchen Fällen extrem schwierig ist.
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