- A. Die CC-Lizenz als Instrument der Wissenschaft
- B. Lizenzierung wissenschaftlicher Beiträge
- C. Nutzung lizenzierter Inhalte in der Wissenschaft
- D. Zusammenfassung und Empfehlungen
Literatur: Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen, Appell zur Nutzung offener Lizenzen in der Wissenschaft in: Information für die Wissenschaft Nr. 68 | 20. November 2014, https://perma.cc/CD2Y-4SRZ, Peter Brettschneider/Alexandra Axtmann/Elisabeth Böker/u. a., Offene Lizenzen für Forschungsdaten, o-bib. Das offene Bibliotheksjournal / Herausgeber VDB 2021, 1 (3 ff.), Paul Baumann/Philipp Krahn/Anne Lauber-Rönsberg, Forschungsdatenmanagement und Recht, 2021; Thomas Hartmann, Open Access rechtlich absichern– warum es ein Opt-in braucht, in: Praxishandbuch Open Access, 2017, 45 (49 f.); Seyavash Amini/Guido Blechl/Joachim Losend, FAQs zu Creative-Commons-Lizenzen unter besonderer Berücksichtigung der Wissenschaft, 2015, https://perma.cc/KE6F-P3GZ.
1 Auch wenn bei der Entwicklung des CC-Lizenzmodells zunächst weniger die Wissenschaft als Anwendungsfall im Vordergrund stand, sondern vielmehr Kreativität und neue digitale Praktiken wie Mashups, Memes und Remixes erleichtert werden sollten, entwickelten sich Creative Commons-Lizenzen in den letzten 20 Jahren zu einem bevorzugten Lizenzmodell im Bereich der Wissenschaft und des Open-Access-Publizierens.
2 Prägend für die wissenschaftliche Forschung ist zudem häufig ein selbstreferenzielles Vorgehen: Forschende setzen sich mit fremden Forschungsergebnissen auseinander, um anschließend auf dieser Grundlage neue Forschungsergebnisse zu generieren.
A. Die CC-Lizenz als Instrument der Wissenschaft
3 Wissenschaftliche Forschung und Lehre sind seit jeher darauf ausgerichtet, Wissen an andere Forschende weiterzugeben, meist in Form einer Publikation (z. B. in Form eines Zeitschriftenartikels oder einer Datenpublikation).
4Vor diesem Hintergrund formierte sich Anfang der 2000er Jahre die Budapest Open Access Initiative (BOAI), in der sich Forschende aus verschiedenen Ländern disziplinübergreifend zusammenschlossen, um einen uneingeschränkten Zugang zur gesamten wissenschaftlichen Zeitschriftenliteratur zu ermöglichen.
„Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne Erwartung, hierfür bezahlt zu werden, veröffentlichen, (...) kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, sodass Interessierte, die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internet-Zugang selbst verbunden sind. In allen Fragen des Wiederabdrucks und der Verteilung und in allen Fragen des Copyrights überhaupt sollte die einzige Einschränkung darin bestehen, den jeweiligen Autorinnen und Autoren Kontrolle über ihre Arbeit zu belassen und deren Recht zu sichern, dass ihre Arbeit angemessen anerkannt und zitiert wird.“
I. Wissenschaftspolitische Leitlinien
5 Die genannte Budapest Open Access Initiative war Ausgangspunkt für die Implementierung von zahlreichen Open-Access-Policies auf supranationaler, nationaler und föderaler und institutioneller Ebene. Im Jahre 2003 folgte die „Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities“ (Berliner Erklärung).
6 Auf supranationaler Ebene setzt die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kunst (UNESCO) wichtige Impulse und veröffentlichte u. a. im Jahr 2001 eine Empfehlung zu Open Science, in der sie mehrfach die freie Lizenzierung zur Verwirklichung der Ziele von Open Science und Open Access adressiert.
7 In Europa ist wichtiger Impulsgeber für die Implementierung von Open Access und die Nutzung von Creative Commons-Lizenzen die Europäische Kommission. Diese hat in einer Empfehlung die Mitgliedstaaten bereits im Jahr 2012 dazu aufgefordert, klare und verbindliche Open-Access-Policies zu implementieren, in denen insbesondere für die Publikation von wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Forschungsdaten eine freie Lizenzierung sichergestellt sein soll.
8 Auf nationaler Ebene gibt es intensive Bestrebungen zugunsten der Förderung und Verbreitung von Open Access: Im Jahr 2022 kündigte beispielsweise die US-Regierung in einem Memorandum an, dass staatlich finanzierte Forschung ab 2026 ohne Embargo kostenlos frei zugänglich sein müsse.
9 Auch Wissenschaftsorganisationen und -verbünde empfehlen den Einsatz von CC-Lizenzen:
10 Ausgehend von der Berliner Erklärung weisen viele institutionelle Open-Access-Policies inhaltliche und strukturelle Parallelen auf. Unabhängig von ihrer jeweiligen Bezeichnung
II. Lizenzvorgaben der öffentlichen Forschungsförderer
11 Eine besondere Bedeutung für die Open-Access-Transformation und die Implementierung freier Lizenzen haben dagegen die Vorgaben von Forschungsförderern bei der Vergabe von Fördergeldern, die bevorzugt auf Creative Commons-Lizenzen rekurrieren. Anders als Open-Access-Policies, Empfehlungen und Leitlinien als Soft Law können diese konkrete Lizenzanforderungen rechtsverbindlich vorgeben.
12 Teilweise fordern die Forschungsorganisationen in ihren Leitlinien explizit eine Lizenzierung unter Creative Commons-Lizenzen. So verpflichtet die DFG Forschende im Programm „Open-Access-Publikationskosten“, in dessen Rahmen ein festgelegter Zuschuss für die Publikation wissenschaftlicher Ergebnisse im Open Access gewährt wird, die geförderte Publikationen „mit Lizenzen [zu] versehen [...], über die eine Nachnutzung der Publikationen rechtssicher geregelt wird.“
III. Institutionelle Leitlinien
13 Die Entwicklung hin zu offenen Lizenzen hat sich in den letzten Jahren vor allem auf institutioneller Ebene beschleunigt: Immer mehr Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Forschungsförderer im Wissenschaftsbereich haben eigene Leitlinien zur Förderung von Open Access verabschiedet. Die Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, in der die wichtigsten und bedeutendsten deutschen Wissenschafts- und Forschungsorganisationen zusammengeschlossen sind und die regelmäßig zu Fragen der Wissenschaftspolitik, der Forschungsförderung und der strukturellen Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems Stellung bezieht, setzt sich beispielsweise in ihrem Handlungsfeld „Wissenschaftliches Publikationssystem“ das Ziel, „das weltweite Wissen in digitaler Form ohne finanzielle, technische oder rechtliche Barrieren zugänglich und nachnutzbar zu machen.“
14 Mittlerweile haben öffentlich finanzierte Wissenschaftseinrichtungen nahezu flächendeckend in Deutschland institutionelle Open-Access-Policies beschlossen, die ihren Angehörigen zur Realisierung von Open Access eine „freie“ Lizenzierung empfehlen.
IV. Repositorien, Publikationsfonds und Publikationspraxis
15 Auch der Aufbau und die Etablierung von Publikationsservern (Repositorien) unter Abbildung der Creative Commons-Lizenzmöglichkeiten fördert deren Verwendung für wissenschaftliche Inhalte.
16 In vielen Wissenschaftsdisziplinen, in denen nicht Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften (Periodika), sondern Monografien und Sammelbände als Publikationsformat eine hervorgehobene Bedeutung haben (so z. B. in vielen Sozial- und Geisteswissenschaften), dominiert allerdings nach wie vor die traditionelle Verlagspublikation. Die im Zeitschriftenbereich etablierten Open-Access-Modelle sind darauf nicht ohne Weiteres übertragbar.
17 An einigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen gibt es ein Budget für die Finanzierung von Open-Access-Monografien (Publikationsfonds), dessen Bereitstellung ebenfalls maßgeblich zur Open-Access-Transformation beiträgt. Diese Förderung ist regelmäßig an die Bedingung einer Lizenzierung mit Creative Commons-Lizenzen gebunden. An der Humboldt-Universität zu Berlin beispielsweise ist eine Förderung aus dem Publikationsfonds für Open Access-Bücher an die Lizenzvergabe CC BY 4.0 geknüpft.
B. Lizenzierung wissenschaftlicher Beiträge
18 Als lizenzierbare Objekte weisen wissenschaftliche Artikel in Fachzeitschriften und Büchern als Textformate (Periodika vs. Einzelpublikationen) und Forschungsdaten (einschließlich Software) jeweils Besonderheiten auf, die im Folgenden im Hinblick auf die Lizenzierungspraxis näher beleuchtet werden.
I. Urheberrechtlich schutzfähiger Lizenzgegenstand
19 Für die Einräumung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten (Lizenzierung) ist erforderlich, dass zunächst ein Urheber- oder Leistungsschutzrecht besteht. Schutzgegenstand des Urheberrechts in Deutschland (§§ 1 f. UrhG) und der Europäischen Union sind Werke als eigene geistige Schöpfung der Urheberin.
1. Gemeinfreiheit von Forschungsergebnissen und Fachinhalten
20 Wissenschaftliche Inhalte, Forschungsergebnisse, Theorien, Konzepte, Ideen, Fakten, Formeln oder Erkenntnisse sind als solche nicht lizenzierbar, da sie gemeinfrei sind.
21 Gedanken und Ideen im oben beschriebenen Sinne können ohne Erlaubnis übernommen werden. Wird der übernehmenden Person dennoch der Vorwurf des Plagiats gemacht, so handelt es sich nicht um einen urheber- oder lizenzrechtlichen Begriff. Übernahmen fremder Ideen ohne Nennung der Urheberin sind hingegen in der Regel ein Verstoß gegen die an nahezu allen Hochschulen und Forschungseinrichtungen bestehenden Regelwerke zum wissenschaftlichen Arbeiten, in denen auch der Umgang mit Plagiaten thematisiert wird. Die Plagiatstatbestände in den Regelwerken der Hochschulen beziehen auch ethische Ansätze und Leitgedanken wie den respektvollen Umgang miteinander ein. Lässt sich beispielsweise aus dem Urheberrecht mangels Schutzgegenstand keine Pflicht zur Namensnennung nach § 13 UrhG ableiten, so ergibt sich diese in der Wissenschaft regelmäßig aus den Richtlinien zur guten wissenschaftlichen Praxis. Diese halten zur Quellenangabe an.
2. Urheberschutz für konkrete Darstellungsformen
22 Die konkreten Darstellungen wissenschaftlicher Inhalte – beispielsweise in Form von Texten oder Zeichnungen – sind regelmäßig urheberrechtlich geschützt. Sie können daher lizenziert werden. Der urheberrechtliche Schutz und eine mögliche Lizenzierung erstrecken sich jedoch nur auf die jeweils konkrete, veröffentlichte Ausdrucksform, z. B. eines Textes oder einer Zeichnung, nicht auf die darin vermittelten Inhalte (siehe oben Rn. 20). Die Übernahme von Inhalten, Ergebnissen, Gedanken oder Konzepten kann mit einer CC-Lizenzierung nicht verhindert oder anderweitig vertraglich gestaltet
3. Anerkennung von Forschungsergebnissen
23 Wichtiger als die Verwertbarkeit einer konkreten Ausdrucksform ist Wissenschaftlerinnen die Anerkennung für ihre Forschungsergebnisse.
24 Die von einigen Wissenschaftlern gelegentlich gewünschte Möglichkeit der Steuerung der Nutzung der eigenen Forschungsergebnisse ist weder über das Urheberrecht noch die CC-Lizenzen möglich. So kann z. B. die Namensnennung bei einer fälschlich vergebenen CC BY-Lizenz nicht eingeklagt werden, wenn der verwendete Forschungsbeitrag urheberrechtlich nicht geschützt ist. Die Steuerungsmöglichkeit beschränkt sich auf urheber- bzw. leistungsschutzrechtlich geschützte Materialien, deren Nutzung von der Zustimmung der Rechteinhaberinnen bzw. Einräumung von Nutzungsrechten abhängt. Auch eine Umdeutung oder Reduktion einer Lizenzierung gem. §§ 31 ff. UrhG in einfache oder allgemeine Vertragsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB scheidet zudem nach der Klarstellung in Abschnitt 8.a CCPL aus: Nach dieser Auslegungsregel ist eine Begründung oder sonstige Ausweitung von Schutzrechten bzw. Nutzungseinschränkungen an urheberrechtsfreien Materialien durch eine Creative Commons-Lizenzierung nicht möglich.
25 Der Wunsch der Wissenschaftlerinnen, über die Lizenz eine Namensnennung auch von Ideen und Konzepten sicherzustellen, lässt sich für Forschungsinhalte gerade nicht verwirklichen. Diesem wird jedoch auch bei gemeinfreien Forschungsbeiträgen durch die gute wissenschaftliche Praxis und dem damit verbundenen Wissenschaftsrecht genügt.
II. Lizenzierung von wissenschaftlichen Text-Veröffentlichungen
26 Im Folgenden werden die Besonderheiten der CC-Lizenzierung von wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Textform beleuchtet.
1. Lizenzgegenstand und Lizenzierbarkeit
27 Die bibliografisch eigenständig ausgezeichneten Teile eines Werkganzen (z. B. Kapitel aus einem Buch) sind grundsätzlich urheberrechtlich geschützt und können damit einzeln Gegenstand einer Lizenzierung sein, mit der Folge, dass in einem Sammelwerk mit unterschiedlichen Autoren die enthaltenen Beiträge jeweils unterschiedlich lizenziert sein können. Das ebenfalls einem urheberrechtlichen Schutz zugängliche Sammelwerk (§ 4 Abs. 1 UrhG) kann davon losgelöst als solches Gegenstand einer Lizenzierung sein.
2. Lizenzgeber bei Textpublikationen
28 Forschende sind in der Regel an eine Institution angebunden und entweder für eine Hochschule oder außeruniversitäre Forschungseinrichtung im Angestellten- oder Beamtenverhältnis tätig. Daher ist der Frage nachzugehen, wer als Inhaber der Rechte an wissenschaftlichen Texten diese publizieren und lizenzieren kann.
29 Im deutschen Urheberrecht gilt das Schöpferprinzip (§ 7 UrhG). Mit dem Schaffensvorgang entstehen sämtliche Urheberrechte bei der Schöpferin, also bei einer natürlichen Person. Wurde das Werk von mehreren geschaffen, ohne dass sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen, so besteht gemäß § 8 UrhG Miturheberschaft. Dies ist beispielsweise der Fall bei einem Zeitschriftenartikel, der von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter und einer Professorin gemeinsam verfasst wurde.
30 Etwas anderes gilt für die Leistungsschutzrechte, denen keine Schöpfung zugrunde liegt. Hier entstehen die Rechte bei derjenigen (ggf. juristischen) Person, welche die jeweils geschützte Leistung bzw. Investition als Entstehungsgrund für das Schutzrecht erbracht hat (also z. B. das Datenbankherstellerrecht).
31 Das Schöpferprinzip bzw. das Prinzip der Leistungserbringung für Leistungsschutzrechte, gilt auch bei Werken bzw. Leistungen, die im Rahmen von Arbeits- oder Dienstverhältnissen geschaffen werden. Angesichts der Unübertragbarkeit des Urheberrechts insgesamt wie auch einzelner Verwertungsrechte (vgl. § 29 Abs. 1 UrhG) kann ein Arbeitgeber oder Dienstherr Rechte am Arbeitsergebnis also nur im Wege der Einräumung von Nutzungsrechten (§ 31 UrhG) erlangen.
32 Wird, wie in der Wissenschaft, die Tätigkeit bzw. die der Publikation zugrundeliegende Suche nach Erkenntnis finanziert, entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch des Wissenschaftlers, über die Verwertung der geschaffenen Werke zu entscheiden und dem Anspruch der finanzierenden Institution bzw. der Allgemeinheit auf die Nutzung der Werke aus der Wissenschaft, deren Schöpfung sie letztlich finanziert hat und die lediglich in Erfüllung von Pflichten aus einem (öffentlich-rechtlichen) Dienst- oder Arbeitsverhältnis entstanden sind.
33 Da Arbeitgeberin und Dienstherr regelmäßig ein Interesse daran haben, das in ihrem Arbeits- oder Dienstverhältnis entstandene Werk verwerten zu können, erleichtert § 43 UrhG vor allem außerhalb der Wissenschaft den Rechtserwerb. Das gilt auch dann, wenn der Arbeits- oder Dienstvertrag keine gesonderte Vereinbarung über die Einräumung von Nutzungsrechten enthält.
34 Die herrschende Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur folgert aus der verfassungsrechtlich verbrieften Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG), dass Hochschulprofessorinnen, außerplanmäßige, Honorar- und Gastprofessoren und Privatdozentinnen selbst über die Veröffentlichung von urheberrechtlich geschützten Werken entscheiden können und keine Pflicht zur Veröffentlichung besteht.
3. Herausforderungen
35 Publikationen spielen eine wichtige Rolle für die wissenschaftliche Karriere. Vielfach sehen sich Forschende gehalten, in renommierten Fachzeitschriften zu publizieren, die – zumindest in der Vergangenheit – zumeist keine freie Lizenzierung zugelassen haben. Darüber hinaus lassen sich Verlage in sogenannten Buy-out-Verträgen umfassende Nutzungsrechte an Publikationen einräumen und unterbinden auf der Grundlage dieser Rechteposition, dass Wissenschaftlerinnen ihre Erkenntnisse neben der Verlagspublikation auf Repositorien oder der eigenen Website teilen können. Für Forschende lautet daher die eindringliche Empfehlung, Nutzungsrechte nur als einfache (nicht „ausschließliche“) Rechte an Verlage zu übertragen und im besten Falle eine gemeinwohlorientierte Publikationsinfrastruktur zu nutzen (zumindest ergänzend für das Preprint, die Zweitveröffentlichung oder zugrundeliegende Daten). Gemeinwohlorientierte Publikationsinfrastrukturen sind Plattformen, die darauf abzielen, wissenschaftliche Ergebnisse offen zugänglich zu machen und so zur Förderung des Gemeinwohls beizutragen. Hierzu zählen institutionelle, fächerbezogene oder fachübergreifende Repositorien und Publikationsplattformen von Wissenschaftseinrichtungen.
4. Lizenzierbarkeit von Zweitveröffentlichungen
36 Schließlich ist ein besonderes Augenmerk auf die in Deutschland möglichen sog. „Zweitveröffentlichungen“ zu richten. Hintergrund dieser ist das sog. „Zweitveröffentlichungsrecht“ für Urheber wissenschaftlicher Beiträge, das seit 2014 in § 38 Abs. 4 UrhG unter dort genannten Voraussetzungen verankert ist, selbst wenn ausschließliche Rechte an einen Verlag eingeräumt wurden. Den Urhebern soll auf diese Weise u. a. eine nachträgliche Veröffentlichung von Zeitschriftenbeiträgen auf universitären Repositorien erleichtert werden, um den freien Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen – auch für die Allgemeinheit – sicherzustellen.
37 Infolge einer ausschließlichen Nutzungsrechtsübertragung am Werk an einen Verlag kann der Urheber nicht mehr eigenständig über das Werk verfügen. Um Inhalte unter eine CC-Lizenz stellen zu dürfen, muss er jedoch die dafür nötigen (exklusiven) Rechte haben.
38 Auch Repositoriumsbetreiber oder Forschungsförderer, die die technische bzw. organisatorische Unterstützung des Urhebers übernehmen, werden aus § 38 Abs. 4 UrhG nicht selbst zur CC-Lizenzierung ermächtigt. Ihnen kann infolge der Regelung in § 38 Abs. 4 UrhG nur durch den Urheber gestattet werden, den Beitrag in der akzeptierten Manuskriptversion öffentlich zugänglich zu machen – allerdings ohne CC-Lizenz.
III. Lizenzierung von Forschungsdaten
39 Sichtbarkeit, Zugänglichkeit, Vernetzung und Nachnutzung sind bei digitalen Forschungsdaten ein zentrales Ziel der FAIR-Prinzipien.
1. Lizenzierbarkeit von Forschungsdaten
40 Die rechtliche Analyse, ob Forschungsdaten urheberrechtlich geschützt sind, ist vor der Lizenzierung unerlässlich. So können Forschungsdaten ohne urheberrechtlichen Schutz nicht rechtswirksam mit einer CC-Lizenz lizenziert werden.
2. Lizenzgeber bei Forschungsdaten
41 Für Forschungsdaten ist insoweit die Rechtslage vergleichbar wie bei Textveröffentlichungen.
3. Herausforderungen
42 Eine der größten Herausforderungen bei der urheber- und lizenzrechtlichen Betrachtung von Forschungsdaten liegt in deren vielfältiger Erscheinungsform.
43 Das Urheberrecht ist unabhängig von bestimmten Disziplinen und Methoden konzipiert. Aus der Sicht mancher Forschenden mag es daher gelegentlich als Zufall erscheinen, dass manche Forschungsdaten urheberrechtlichen Schutz genießen, während andere gemeinfrei sind. Für die elementar wichtige urheberrechtliche Bewertung einzelner Forschungsdaten
4. Sui Generis-Datenbankherstellerrecht
44 Besondere Aufmerksamkeit für die Wissenschaftspraxis erfordert der im EU-Recht verankerte Sui-Generis-Datenbankherstellerschutz (§§ 87a ff. UrhG).
45 Hinsichtlich der Lizenzierung ist zu beachten, dass Rechteinhaber allenfalls in Ausnahmefällen die einzelnen Forschenden mit ihren Forschungsdaten sind, sondern die Wissenschaftseinrichtung oder etwa eine Fachgesellschaft, welche die Datenbank bereitstellt und betreibt. Um ihrer Verantwortung insoweit gerecht zu werden, ist den Wissenschaftseinrichtungen und anderen Betreibern von Forschungsdatenrepositorien zunächst eine Festlegung ihrer Ziele (zum Beispiel Open Access/Open Science, FAIR-Prinzipien) zu empfehlen. Abhängig davon kann insbesondere die Lizenzierung des Sui Generis-Datenbankherstellerschutzrechts durch die jeweilige Wissenschaftseinrichtung mit einem weitgehenden Rechteverzicht (CC Zero) naheliegen.
46 Bei internationaler Forschung kann das Sui Generis-Datenbankherstellerrecht zu Problemen und Irritationen führen. Rechtsordnungen außerhalb der Europäischen Union kennen keinen vergleichbar gesetzlich ausgestalteten, spezifischen Schutz für Datenbanken. Auch in dieser Hinsicht kann eine Freigabeerklärung (CC Zero)
C. Nutzung lizenzierter Inhalte in der Wissenschaft
47 Auch als Nutzende lizenzierter Materialien stehen Wissenschaftlerinnen vor zahlreichen Herausforderungen, die im Folgenden beleuchtet werden. Dafür wird anhand ausgewählter Beispiele erläutert, worin die jeweilige Herausforderung besteht, ob sie rechtlicher oder praktischer Art ist und welche Konsequenzen sie haben kann. Nicht jede dieser Herausforderungen führt dabei zwangsläufig zu einer Verletzung urheberrechtlicher Verwertungsrechte.
I. Verschiedene Lizenzobjekte
48 Ebenso wie bei der Nutzung urheberrechtlich geschützter Gegenstände im Allgemeinen
49 Eine Nutzung des bloßen Schriftwerks ist dann zwar unter den Bedingungen der Lizenz (z.B. Namensnennung bei CC BY-Lizenzierung) möglich. Enthält die Textpublikation auch Bilder Dritter, werden diese nicht von der Lizenz erfasst, etwa wenn sie unter den Regeln der Zitierfreiheit als Bildzitat verwendet wurden. Im Idealfall sollte es aus dem Kontext offensichtlich erscheinen, dass es sich um ein Bildzitat handelt, etwa wenn ein zeitgenössisches Gemälde kunstgeschichtlich analysiert und anschließend gezeigt wird. Dann gilt, dass das Bild zwar im Kontext der Textpublikation und des Zitats, aber nicht davon getrennt ohne Zustimmung genutzt werden darf. Es kann auch vorkommen, dass etwa Fremdabbildungen eigenständig lizenziert sind; dann gelten für ihre Nutzung die Bedingungen dieser Lizenz. Gegebenenfalls sind zusätzliche Bedingungen (z.B. Nutzung zu nicht kommerziellen Bedingungen) einzuhalten.
II. Nutzung urheberrechtlich nicht schutzfähiger, aber lizenzierter Materialien
50 Zu den gleichen Folgen führt eine ähnliche Situation, die ebenfalls Rechtsunsicherheit für Forschende birgt: Diese betrifft die Nutzung urheberrechtlich nicht schutzfähiger, aber dennoch fälschlicherweise CC-lizenzierter Materialien.
51 Oben wurde bereits ausgeführt, dass lediglich urheberrechtlich schutzfähige Gegenstände lizenzfähig sind. Dennoch kommt es zuweilen vor, dass auch urheberrechtlich nicht schutzfähige Gegenstände mit einer Lizenz versehen werden. Für einen juristischen Laien ist durch die CC-Kennzeichnung ersichtlich, dass eine Nutzung nur unter bestimmten Bedingungen erfolgen darf. Dabei handelt es sich allerdings um einen – unzutreffenden – Rechtsschein. Denn eine Nutzung urheberrechtlich nicht schutzfähiger Materialien darf bereits von Gesetzes wegen ohne weitere Erlaubnis durch den Urheber erfolgen. Beispielsweise werden vollständig computergenerierte Bilder, die mangels Schöpfung durch einen Menschen nicht urheberrechtlich schutzfähig sind,
52 Es kann auch passieren, dass maschinell generierte Forschungsdaten unter einer CC-Lizenz veröffentlicht werden. Häufig geschieht dies aus Reputationsgründen: Die lizenzierende Person möchte auf diesem Wege sicherstellen, im Rahmen einer Nachnutzung als „Urheberin“ der Forschungsdaten genannt zu werden. Dieser Anforderung wird jedoch bereits durch die in der Wissenschaft geltenden Regelungen zur guten wissenschaftlichen Praxis genügt. Die CCPL sind dagegen nicht das richtige Werkzeug. Ihre Anwendung auf urheberrechtlich nicht geschützte wissenschaftliche Ergebnisse widerspricht sogar der guten wissenschaftlichen Praxis, da sich Nutzende erheblich in der eigentlich uneingeschränkt möglichen Nutzung eingeschränkt fühlen könnten.
III. CC-Lizenzen und urheberrechtliche Schranken
53 Während CC-Lizenzen vertraglich Nutzungsrechte einräumen, können darüber hinaus im Einzelfall ebenfalls gesetzliche Erlaubnistatbestände gelten (z. B. für den Bereich der Wissenschaft im weiteren Sinne in Deutschland: §§ 51, 60a ff. UrhG).
54 Diese können grundsätzlich nebeneinander bestehen, wobei die mittels einer Creative Commons-Lizenz eingeräumten Nutzungsrechte erst greifen, soweit sie die gesetzlichen Nutzungsrechte erweitern.
55 In Bezug auf die in §§ 60a, 60c UrhG gesetzlich erlaubten Nutzungen in Deutschland ist diese Independenz von besonderer Relevanz, da von Gesetzes wegen lediglich eine limitierte Nutzung (z.B. Vervielfältigungen für die eigene wissenschaftliche Forschung von bis zu 75 % eines Werkes gem. § 60c Abs. 2 UrhG) gestattet ist. Sofern das zu nutzende Werk gleichzeitig mit einer CC-Lizenz versehen ist, kann daher ein Werk auch über die im Gesetz angegebenen quantitativen Nutzungsgrenzen hinaus genutzt werden. Eine sprachwissenschaftliche Forschung kann also im Einzelfall grundsätzlich einen 300 Seiten umfassenden CC-lizenzierten Roman vollständig vervielfältigen, während § 60c Abs. 2 UrhG lediglich die Vervielfältigung von 75 % des Romans erlaubt.
56 Außerdem kann eine CC-Lizenzierung die erhebliche Rechtsunsicherheit
IV. „Kommerzialität“ von Wissenschaft bei CC BY-NC-lizenzierten Inhalten
57 Besondere praktische Probleme können sich in Bezug auf das – auch in der Wissenschaft – weitverbreitete NC-Lizenzmodul ergeben (Lizenz: CC BY-NC oder CC BY-NC-ND). Dieses Lizenzmodul verhindert eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken (siehe dazu Abschnitt 1.i Rn. 73 ff.). Insbesondere im Bereich der Wissenschaft bestehen hier Abgrenzungsschwierigkeiten (eingehend hierzu Abschnitt 1.i Rn. 73 ff.).
58 Zum Teil wird angenommen, dass bereits eine Veröffentlichung von Forschungsergebnissen in einem gewinnorientierten Wissenschaftsverlag dazu führt, dass vorangegangene Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke zu kommerziellen Zwecken erfolgten. Dies hätte zur Folge, dass – sofern eine Verlagsveröffentlichung geplant ist – bereits bei ihrer Erstellung keine CC BY-NC- bzw. CC BY-ND lizenzierten Werke genutzt werden dürften.
59 Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich bei der Nutzung CC-NC-lizenzierter Inhalte auf „privaten“ Wissenschaftsblogs und Websites (z. B. wenn dort Werbung geschaltet ist, um die Hosting-Kosten zu refinanzieren). Eindeutig als kommerzielle Nutzung gilt dagegen die Verlagsveröffentlichung, wenn mit der Forschungsarbeit eigene Einnahmen generiert werden (wie z.B. im Rahmen der zielgerichteten Auftragsforschung für Unternehmen).
D. Zusammenfassung und Empfehlungen
60 In den Wissenschaftseinrichtungen sollte zunächst abgeklärt werden, ob eine CC-Lizenzierung die jeweiligen Anliegen der Wissenschaftler und der Wissenschaftseinrichtung erfüllen kann. Es sollte reflektiert werden, welche Interessen an dem wissenschaftlichen Beitrag bestehen und ob diese im Rahmen des Urheberrechts mit CC-Lizenzen rechtlich wirksam zu erreichen sind. Manche Steuerungswünsche etwa können rechtlich nicht über das Urheberrecht oder über eine CC-Lizenzierung realisiert werden.
61 Zumeist wird die urheberrechtliche Analyse rasch und rechtssicher erfolgen können. Wenn zum Beispiel in den Geistes- und Sozialwissenschaften textuell publiziert wird, werden diese Fachpublikationen regelmäßig
62 Sollte der wissenschaftliche Beitrag urheberrechtlich geschützt sein, kann eine CC-Lizenz mit der Lizenzbedingung Namensnennung (BY) sowie, jeweils interessengerecht ausgewählt, den weiteren Lizenzbedingungen eingesetzt werden. Bei der Auswahl der einzelnen Creative Commons-Lizenzbedingungen ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Lizenzbedingungen mit dem gängigen Verständnis von Open Science/Open Access (insbesondere nach der Berlin Declaration) konform sind.
63 Für wissenschaftliche Beiträge, die nicht urheberrechtlich geschützt sind, sollte ein entsprechend geeigneter Rechtevermerk angebracht werden. Creative Commons stellt dafür insbesondere die Public Domain Mark (siehe Abschnitt Einl Rn. 29) bereit.
64 Ein weiterer Nachteil ist, dass die Attribution der CC-Lizenzen recht kontraintuitiv ausgestaltet ist. Nach Abschnitt 3.a.1 ist nicht nur die Bezeichnung des Urhebers anzugeben, sondern neben dem Copyright-Vermerk und dem Hinweis auf die vorliegende CCPL auch ein Hinweis auf den Haftungsausschluss und, soweit vernünftigerweise praktikabel, einen URI oder Hyperlink zum lizenzierten Material. Allerdings gilt auch hier, dass die öffentliche Stelle als Datengeber es in der Hand hat, dass es bei inkorrekter Attribution, weil z.B. ein Link auf den Lizenztext fehlt, nicht zu einem Rechtsstreit kommt.
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Open Access Kommentar, Kommentierung zu B. Wissenschaft (Open Science) ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.